Heute wird der verehrte Landesherr zu seinen Untertanen sprechen, so wie er es all die Jahre seiner glorreichen Regentschaft getan hat. Schon viel zu lange mussten die Kinder der schönsten Stadt auf die süßen Worte ihres geliebten Grafen warten. Umso größer war ist die Menschenmenge, die sich unter dem Balkon vor dem Palast drängte. Jede Frau und jeder Mann versuchte noch einen Platz zu ergattern, um der gräflichen Rede zu lauschen.
Endlich ist der große Moment gekommen. Just als Helios seine letzten Strahlen über den Horizont ergießt, erscheint Graf Dedekien auf dem Balkon, was augenblicklichen einen Sturm der Begeisterung auslöste. Doch ebenso schnell wie der Jubel ertönte, verstummte er auch wieder. Der ansonsten prächtig bunt gekleidete Herrscher war gänzlich in Schwarz gehüllt – der Graf trägt Trauer!

In das laute Schweigen hinein, sprach er mit gedämpfter Stimme: „Mein geliebtes Volk! Wir haben einen schmerzlichen Verlust zu beklagen.“

Graf Dedekien wandte sich kurz ab, damit ein Diener mit einem Seidentuch eine Träne trocknen konnte, die über die gräfliche Wange floss.

Er hob erneut an: „Die gräflichen Kupferbingen im Schlangenkamm sind Unser ganzer Stolz. Bewegen Wir im Geiste unser Auge von dort nach Utras Dar, dann erblicken Wir das einstmals unbedeutende Minenarbeiterhaus. Nun ist jene Taverne „ Zum Schluckloch“ ein Ort der Begegnung und des blühenden Handels geworden. Doch hat sich diese Heimstatt des friedlichen Austausches zum Schauplatz eines erschütternden Unglücks gewandelt. Dutzende tapferer Frauen und Männer sind dort in den Bingen unter Schutt und Geröll begraben worden.“

Die Menge schluchzte bei diesen Worten wie aus einem Munde. Noch bevor ein lautes Wehklagen einsetzen konnte, erhob der Graf seine Stimme erneut: „ Ihr fragt Euch, wie kann dies geschehen? War es ein Unfall? Der Wille der Götter? Oder gar Sabotage?
Letzteres wollen Wir nun genauer untersuchen. Neid und Missgunst begleiten Uns seit jenen Tagen, da Wir Unser schönes Land wieder zu großem Ruhm verholfen haben. Glauben Unsere Widersacher, dass Wir von Unserem Vorhaben Darian wieder groß zu machen, abzuhalten sind?“ Graf Dedekiens Stimme wurde immer lauter und eindringlicher: „Wo waren die königlichen Schergen, die immerfort den Schlangenkamm durchstreifen, um Unseren braven Kaufleuten das Handwerk zu erschweren? Wie konnten grausame Verbrecher den sonst so wachsamen Augen der königlichen Obrigkeit entgehen? Hat das Alter die Sehkraft des Königs getrübt? Zeigen Wir es dem Greis auf dem Thron in Escandra! Nehmen Wir Unsere Verteidigung selbst in die Hand! Wir haben die Schuldtürme geöffnet, damit die Insassen ihren Dienst im Schlangenkamm verrichten können. Sie werden die Wachen, Soldaten, Büttel und Ordnungshüter dabei unterstützen Unsere wohlschaffenden Händler zu behüten. Jede Frau und jeder Mann, der Teil dieser heldenhaften Aufgabe sein möchte, ist herzlich willkommen.“

Die rasende Menge tobte, der Jubel schwoll zu einem Donnerbrausen an bevor sie sich in die zahlreichen Schänken der Stadt zerstreute. In den Tavernen flossen reichlich Freigetränke
und es wurden tausende Heuerverträge unterschrieben.

Es wurde getrunken und geweint bis in die Morgenstunden, so dass die Omus Mühe hatten, die zornigen Worte des mächtigen Herrschers in alle Winkel des Reiches zu rufen.

Erschienen in Helios-Bote 84, Bazaar Darians