Um den 15.Tag des 2. Helios mag es wohl gewest sein, daß Baron Leomar seine Vögte und Vasallen zur Hofhaltung für drei Tage nach Burg Aarhorst zu sich lud. Der Baron wählte seine Jagdburg, da die Renovierungsarbeiten auf Burg Tatzelfels noch nicht ganz abgeschlossen sind.

Es sollte gar viel gegessen, gezechet und gespaßet werden, aber auch die wichtige Politik sollt an diesen Tagen nit vergessen sein, wie der Baron in seinem Aufruf ermahnend verlauten ließ. Schon nach einem Monat war es so weit; tatsächlich erschienen sie alle, angereist mit Karren und mit Reitgetier, istz doch weithin bekannt, daß der Baron seit seiner Genesung (der H.B. 4 berichtete) wahrlich zu festen weiss. Jedem Ankömmling wurde zum Willkommensgrusse eine Schale mit gewürztem Meth kredenzt und als dann am frühen Abend der letzte Vogt und der letzte Rittersmann eingetroffen war, wies der Baron seinen Gästen den Weg herümber zu einer mit Bändern und Wimpeln bunt geschmückten Lichtung. Dort hielte man einen gemeinsamen Götterdienst ab; gedankt wurde den Göttern für die sichere, zwischenfallslose Anreise  und gebeten wurde um ein gesegnetes Fest. Hernach sammelte man sich im Festsaale der Burg, um zünftig zu bankettieren. Kurz stellten sich vielen die Frage, ob es ein Fehler im Protokoll gewest sein mochte, daß der ceridische Segensspruch nit erteilt wurde – doch dazu später mehr. Denn jetzt ward nach gutem alten Brauch ein jeder Gast mit Namen vorgestellt, dieses Amt tätigte natürlich der Tatzelfelser Herold Saran, der gleich drauf den Zeitplan für die nächsten drei Tage kund gab. Erst dann konnte das Festen beginnen, die Jungen tanzten, die Alten tranken, aßen und besprachen. Doch allzufrüh ward das Bankett beendet; war doch für den nächsten Morgen in der Früh eine Jagd angesetzt. Jedem, dem es möglich war, streifte da den Jagdrock über und wollt sein Waidgeschick beweisen. Und wahrlich groß war die Beute an Rebhuhn und Fasan, aber auch Hirschkuh und Eber mußten vielmalig ihr Leben lassen. Bis zum frühen Abend ward jedes Tier gebraten und gekocht; derweil fanden der Baron und die Vögte Zeit, im verschlossenen und bewachten Saale über politische Dinge in Tatzelfels zu debattieren. Dies muß wohl sehr hitzig zugegangen sein, passierte doch ein wahrlich garstiger Zwischenfall: Offenbar verlor der Vogt Adovar von Distelwiel während des Kolloquiums von einer Minute zur anderen den Verstand. Er wollte, nachdem man sein empörtes Brüllen sogar schon außerhalb des Raumes hatte vernehmen können, den Baron mit dem Dolche angehen. Man muß dem Vogt wohl Mordabsichten unterstellen, die aber durch das beherzte Einschreiten der Wache vereitelt werden konnte. Vogt Adovar wurde sodann abgeführt und inhaftiert.

Doch auch diese harten Stunden vergingen und wurden wahrlich reich belohnt, den fürwahr groß war die Auswahl an Speis und Trank. Manche aßen und zechten wohl bis in die Morgenstunden. Auch jener nächste Tag begann mit dem Götterdienst. Gleich hernach – nur ein kurzes Essen ward vergönnt – traf man sich nochmals hinter verschlossener Tür, diesmal jedoch, Helios sei gepriesen, ohne Zwischenfall, und redete bis zum Mittag. Alsdann wurde wieder aufgetischt. Kaum, daß alle mit tafeln geendet hatten, gab  Herold Saran, die von Baron Leomar und Vogten einhellig beschlossenen Entscheidungen bekannt:

– Die Aussendung von Prospektoren in die Tatzelfelser Gebirge, genauer sei hier der Norden und das Grenzland zu Luchnar genannt.

– die jährliche Wahl einer Methkönigin, jene soll als Repräsentantin bei Festen im In- und Ausland fungieren.

– Ernennung einiger Auslandsbotschafter in naher Zukunft.

– Abdankung einiger alter und verbrauchter Vögte, namentlich jene zu Schattenau, Distelwiel und Erkenay, (darunter natürlich auch Vogt Adovar!). 

– Ernennung neuer Vögte, welche allesamt zu Baron Leomars Rittersleute gehören: Helior von Luzenstein (nach Schattenau), Falkenur von Schwarzenbing (nach Erkenay) und Jovana von Rabenweil (nach Distelwiel).

– Verbot der prima noctae.

– Absage an das Ceridentum. Die beiden neuen Klöster zu Schattenau und Distelwiel werden geschlossen und als Siechenhäuser eingerichtet. (Der Schattenauer Abt Radloman reist empört ab), da das Volk nit länger gespalten leben soll. Die alten und neuen Vögte wählten bei Abstimmung einstimmig das Ogedentum als einzige Tatzelfelser Religion.

– Eingrenzung der vögtlichen Macht: Einführung der „Tatzelfelser Statuten“.

– Ankündigung von Ritterschlägen bei dem nächsten Götterdienst.

Nach diesen, für alle überraschend kommenden Reformen, stand nun nur noch ein letzter gemeinsamer Götterdienst an, zu dessen Ende die verkündigten Ritterschläge, bzw. Amtsringe verteilt wurden und von allen Beteiligten der Vasallenschwur erneuert oder frisch abgelegt wurde. Gleich hernach lud man, die sich wundernd tuschelnden Gäste zum Abendbankett, wo noch bis zum hellen Morgen gefeiert und über die Neuigkeiten diskutiert wurde. Am nächsten Tage ward der Vasallentag zu Ende, und was blieb war nur noch abzureisen.

Dem Leser ergebenster Diener:
Schillwunk Radeweyd,
Lehrling des Schreibmeisters Jeremias.

Erschienen in Helios-Bote 6