Noch erfreut sich Graf Waldemar von Drachenhain bester Gesundheit. Dennoch erheben sich immer wieder Stimmen, die bezweifeln, ob die Erbfolge des Hauses Drachenhain gesichert sei. Aufgrund des bekannten Fluchs, der die Kinder Waldemars getroffen hat, ist es diesen nicht mehr gestattet die Grafschaft Drachenhain zu betreten. Doch sollte dieser Fluch nicht gebrochen werden können, wer wird dann die Nachfolge des alten Grafen übernehmen? Der einzige Bruder des Grafen, Wunjo, ist leider schon in seinen besten Mannesjahren einem Jagdunfall zum Opfer gefallen. Sein einziges Kind, Josephina von Drachenhain, ist seither verwaist, da ihre Mutter schon früh verstarb. So gerne sich Waldemar seinen Sohn Leomar von Tatzelfels als Nachfolger wünschen würde, ist es ihm auch klar, daß falls der Fluch anhält, Josephina die Erbfolge antreten wird. Beim einfachen Volk ist Josephina seit langer Zeit bekannt und beliebt. Schon von Kindesbeinen an begleitete sie ihren Vater auf dessen Jagdausflüge und erlernte so ein außerordentliches Jagdgeschick. Etikette und höfisches Gehabe waren ihr schon immer ein Greul. Obgleich sie eher von zierlicher Statur ist, führt sie selbst schwere Waffen mit tödlicher Sicherheit und trägt eine eiserne Kettenrüstung ebenso elegant wie ein Festgewand. Die Feiern der einfachen Leute bereiten ihr größtes Vergnügen. Bei diesen Anlässen greift sie auch selbst nach ihrer Harfe oder Drehleier und singt und spielt bis in die Morgenstunden. Selbst den einzigartigen Drachenhainer Dialekt spricht sie fehlerfrei. Gerüchte lassen verlauten, daß Josephina sogar so weit gegangen ist, sich ihren Gefährten aus dem Volk zu wählen. Dies würde auch erklären, warum sie die adeligen Freier, die ihr den Hof machen immer wieder abweist.
Erschienen in Helios-Bote 4