Real:
in Rothenburg ob der Tauber vom 17.09.1999 bis zum 19.09.1999
Heligonisch:
in Betis vom 17. Tag im 1. Xurlmond, 27 n.A.III bis zum 19. Tag im 1. Xurlmond, 27 n.A.III

Alfonce Pastorius Riedemester, Assistent am Lehrstuhl zur Erforschung heligonischer Sitten und Gebräuche, Escandra hat jene ereignissreichen Tage im 1. Xurl des Jahres 27 n.A.III miterlebt und schildert seine Erlebnisse wie folgt:
„Die Frage, welche Stadt des Königreiches Heligonia die schönste und prächtigste sei, wird in Betis gemeinhin belächelt. Für jeden, der in der freien Handelsstadt lebt – sei er nun Hafenarbeiter oder Ratsmitglied – stellt sich diese Frage gar nicht erst. Selbst ein Weitgereister, zu jenen ich mich auch selbst zähle, ist überaus beeindruckt von den breiten Straßen und vor allem von dem einmaligen Kanalsystem, welches die Stadt durchzieht. Händler haben der Stadt zu unvorstellbarem Reichtum verholfen – und eben diese Kaufleute mit ihren Sippen bilden den Stadtrat, von dem Betis regiert wird.
Nun ist es soweit, der Tag, der das politische Geschehen der freien Reichsstadt Betis für die nächsten zwei Jahre bestimmen wird, die Stadtratswahl am 26. Tag des 1. Xurl n.A.III 27, steht kurz bevor. In der Stadt herrscht eine unbeschreibliche Aufregung. In den Straßen tönen engagierte Kampfreden der Kandidaten und ihrer Unterstützer, und auch so manches von den Patrizierfamilien veranstaltetes Fest wird wohl noch in vielen Jahren Gesprächsstoff für die Bürger der Stadt bieten.
Man berichtet mir, dass sich in den vergangenen Wochen klare Spitzenkandidaten herauskristallisiert haben. So wird dem neuen Liliengildenmitglied, der Familie Pastrigosa durchaus zugetraut, einige Stimmen auf sich vereinen zu können, wenn sie auch in der Frage nach den neuen Ratsvorsitzenden kaum eine Rolle spielen wird. Diese Entscheidung wird wohl hauptsächlich zwischen den drei Familien Amer, Corvese und Petterson fallen, wenn auch die Drittgenannte schon etwas abgeschlagen scheint. Doch die endgültige Auflösung der Frage von höchster politischer Wichtigkeit, für Betis, aber auch für das gesamte Königreich, kann und wird erst am 26. Tage des 1.Xurl möglich sein, wenn die Bürger der Stadt ihrer Pflicht nachgegangen sind und ihre Stimmen abgegeben haben.

Die Nerven der Würdenträger waren durch eine in der Luft liegende, fast spürbare Spannung bis aufs Äußerste strapaziert. Voller Angst und Konzentration harrte man der Dinge, die da kommen sollten. Alteingesessene Mitglieder des Stadrates bangten um ihr Amt und klammerten sich wie der Ertrinkende an den Strohhalm, an die letzte Hoffnung einer Wiederwahl, da andere Familien auf dem politischen Parkett von Betis immer mehr an Einfluß gewannen.
Völlig unberührt von diesem Trubel zeigte sich die breite Masse des Volkes. Ein weitaus wichtigeres Gesprächsthema wie die sowieso nicht beeinflußbare Stadtratswahl war die bevorstehende Aufführung im Betiser Theater. Der berühmte und überaus beliebte Hauptdarsteller Pavo Rothner sollte dort in seiner Glanzrolle als Mahmud auftreten. Zu allem Unglück war dieser kurz vor der Aufführung auf mysteriöse Weise verschwunden und trotz größter Bemühungen nicht wieder auffindbar. Hatte etwa der Daimon Pavo Rothner geholt???
Vor Einbruch völliger Dunkelheit gelang es mir, bei einer mir bekannten Familie, den Corveses, Unterschlupf zu finden. Was haben sich Niccolo und Mama Corvese gefreut, mich wiederzusehen… und erst die zwei Dukaten die ich ihnen noch schuldete… ebenso der in ganz Heligonia bekannte Betiser Modeschöpfer Georg am Armi, der gerade dort im Hause verweilte. Er wedelte zum Gruße affektiert mit seinem bestickten Tüchlein; mit einer gewagten Kollektion in den diesjährigen Modefarben mint und grün angetan.
Auf alle Fälle herrschte große Aufregung, da auf bestialische Weise hingemetzelte, vormals recht einflußreiche Städter mit einer abgeknickten Rose in der Hand aufgefunden wurden. Eine der Leichen hatte sogar einen total geschwärzten Hals und einen Drudenfuß auf der Brust aufgemalt… ekelhaft!!! Eine andere fand man an einem Baume hängend ebenfalls mit einer abgeknickten Rose in der Hand und einem Schild um den Hals „Ich war ein Feind der OFH!“. Es wurde gemutmaßt, daß dies mit der bevorstehenden Stadtratswahl zu tun hätte. Aber irgendwas hatte das doch mit dem Daimon zu tun… Da bin ich ganz sicher! Nur habe ich das nicht weiter verfolgt, da ich von Natur aus an meinem Leben zu sehr hänge… Dies rief auch einen Inquisitoren mitsamt Anhang auf den Plan, der sich natürlich dieser Sache als Koryphäe höchstselbst annahm.
Tatsächlich wurde eine Organisation aufgedeckt, die durch Bestechung und andere kriminelle Machenschaften den Ausgang der Wahl beeinflussen wollte. Kurzerhand wurde diese zerschlagen und die Mitglieder festgesetzt! Sogar die Stadtwache war an den dunklen Machenschaften beteiligt. Nach einigen handfesten Argumenten gestanden diese sogar, Pavo Rothner entführt zu haben, damit er keinen politischen Einfluß mehr ausüben könne, da er ja mit allen wichtigen Familien in Betis bekannt ist. Pavo Rothner wurde endlich befreit und hatte so die Gelegenheit, vor Baron Beorric von Welzen, der spät am Abend noch eingetroffen war, seine Dicht- und Sangeskunst vorzuführen.
Die Wahl zum Stadtrat am nächsten Tag habe ich natürlich mit Spannung verfolgt. Dazu gäbe es zwar viel zu berichten, das überlasse ich aber lieber anderen Leuten.
Tags darauf habe ich mich mit den besten Wünschen von den Corveses verabschiedet und Betis in Richtung Süden verlassen, um den Winter im sonnigen Darian zu verbringen.“

So ereignisreich das gesellschaftliche Leben in Betis in diesen Tagen auch war, ebenso schicksalsträchtig spielte sich im Verborgenen eine mysteriöse Begebenheit ab……