Phiare Erscheinungen zu Idyllie, Tlamana, Heligonia
Im Wechsel des 9. und 10. Mondes des Jahre 1000 Vinländischer Zeitrechnung
Im 2. Xurl 28 nach Aximistilius Tertius
Im August des Jahres 542 trawonischer Zeitrechnung

Am oben genannten Tage ward an gleichsam genannten Orte die Academia rei Praehelitotica gegründet, bei deren Festivitäten ich die Ehre hatte zugegen sein zu dürfen. Überschattet wurde der glückliche Anlass durch verschiedene Erscheinungen, die zu großem Teile ihren Ursprung hatten in der Expedition in den Parima-Wald und der Burg Talwacht, welche in, nun, verkleinerter Form, dort von den Phiaren erbeutet wurde, nachdem sie vor langer Zeit verschwunden ward.
Zum besseren Verständnis sei wiedergegeben, was ich über jene Expedition erfuhr. Doch behalte der geneigte Leser im Gedächtnis, das dies mitnichten ein Abbild der Wahrheit ist, sondern Gerüchte und Spekulationen, welche bereits durch viele Münder gelaufen sind, bis sie zu mir gelangten.

Die Burg Talwacht, welche sich in der Nähe des besagten Parima-Waldes befand, verschwand vor einer Anzahl Jahre ohne eine Spur hinterlassen zu haben. Der heilige Hain, welcher einstmals zur Errichtung der Burg gerodet worden war, stand wieder unangetastet an seinem Platze. Es war, als hätte die Burg nie existiert. Dieses Phänomen ist aber nicht zu Vergleichen mit den Erscheinungen des Vergessens, denn dass die Burg einmal existiert hatte war noch weithin bekannt und ihr Verschwinden mit Bestürzung aufgenommen.
Der Parima-Wald gilt als wundersamer Ort, ähnlich einem Feenwald. In ihm existieren eine Vielzahl von Globulen mit jeweils eigenen Gesetzen bezüglich Raum und Zeit. Dort wird die Heimat der Phiare vermutet. Phiare, übersetzt in etwa „die Verhüllten“, sind eine Art Feenwesen (siehe auch das Traktrat der Verfasserin über Phiare) und scheuen für gewöhnlich den Kontakt mit Menschen, bzw. nehmen unsere Existenz gar nicht war. Eine Expedition, die in den Parima-Wald aufbrach, diesen zu erforschen, und ich bin mir nicht mehr sicher, möglicherweise auf der Suche nach der Burg Talwacht.

Ob nun gesucht oder nicht, die Expedition gelangte in einen Globul, in dem sich die Burg Talwacht befand, umringt von Phiaren. Die Burg war auf die Größe eines Kindkopfes geschrumpft und von einer Art Glaskuppel umgeben. Es fanden wohl Kommunikationsversuche statt, die von Phiaren mit „Es ist noch nicht Zeit.“ beantwortet wurden. Eine große Gestalt tauchte auf, der die Phiare Platz machten. Im nachhinein betrachtet liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um den sog. König der Phiare handelte. Ein tapferer Recke, Schwermeister und Baron, stürmte vor und brachte Talwacht in seinen Besitz. Dann verlies die Gruppe den Globul und den Wald wieder. Talwacht wurde dem Ordo Nexus Coronae anvertraut. Untersuchungen ergaben eine Magie unbekannter Herkunft, aber keinen Aufschluß über das Geschehene. Erkannt wurden expandierende Risse in der Talwachtsphäre, deren Fortschreiten zur Kollision und zu einem unkontrollierten Ausbruch arkaner Energie (und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Auftreten der Schuld) führten. Eine beschleunigte Lösung des Problems schien angeraten. Der Baron kann die Stimmen der Talwachtbewohner hören, aber nicht mit ihnen interagieren.
Entgegen den Wunsch des Ordo Nexus wurde die verzauberte Burg zur Gründungsfeier der Akademia verbracht, auf dass der Rat vieler, auch Weitgereister, neue Inspiration in den Vorgang zu bringen vermöge. Am Tage vor der offiziellen Gründungsfeier nun ward das geneigte Publikum über die heligonischen Phänomene der Schuld und des Unsichtbaren belehrt sowie mit o. g. Vorgängen vertraut gemacht. Zu schon sehr fortgeschrittener Stunde konstituierte sich ein Arbeitskreis, der sich mit dem Talwacht-Problem befassen sollte. Da sich aber einzig eine arkane Lösung des Problems abzeichnete blieben wir diesem fern.
So endete der Tag vor dem offiziellen Gründungstermin.

Das Kolloquium setze seine Arbeit am nächsten Morgen fort. Dies war der Tag der Gründungsfeierlichkeiten. Die Magier entschieden sich, einen der bereits vorhandenen Risse in der Talwacht-Sphäre zu dehnen, so dass eine Person dort hineingelangen könne. Was genau während es Rituals zur Erlangung dieses Ziels geschah vermag niemand zu sagen, denn sowohl das Ritual als auch der Protagonist (oder besser, einer der Protagonisten) dämpften ihre Handlungen so sehr, dass sie nicht beobachtet werden konnten.
Ein Phiare war anwesend und meinte „Es ist nicht Zeit, nicht für Talwacht und nicht für den König.“ Es könnte auch „Es ist zu früh“ gewesen sein, aber etwas in der Art. Sie sprach sehr leise. Die Magier führten das Ritual dennoch durch. Es kam zu einer (nicht geplanten) Erschütterung der Sphären, die aber ohne arkanes Echo blieb. Ein solches wäre aber zu erwarten gewesen und dessen Ausbleiben deutet auf phiarische Magie hin, die als bisher einzig bekannte ohne solches auskommt. Ich hörte später, der Ordo Nexus soll dafür verantwortlich gewesen sein, dass eine Gruppe Personen während des Experiments in den Keller der Burg eingeschlossen wurde, zusammen mit einer größeren Menge Amerylls, dessen Besitz in Heligonia geächtet ist. Die Burg war ansonsten, auf anraten desselben, geräumt worden. Die Gefangenen waren sehr verstört. In dem großen Zelt auf dem Burghof wurden sie anscheinend verhört. Sie sprachen von Folter, aber die Geschehnisse wurden von anderer Stelle verfolgt, so beschäftigte ich mich nicht damit.
Als Folge der Sphärenverschiebung begannen sich die Mauern unmerklich zu bewegen. Wo einstmals Fenster war plötzlich Mauerwerk, neue Durchgänge wurden geschaffen. Einiges mußte später mit Gewalt (soweit mit bekannt) wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden. Später tauchten dann Personen auf, die mit Talwacht assoziiert wurden, aber nicht mit dem Talwacht, was entschwunden, sondern zu einem weitaus früheren Zeitpunkt in deren Geschichte. Und zwar zu jener Zeit, da man auf Talwacht die erste Lieferung Ameryll erwartete. Talwacht lag an der Ameryll-Handelsstraße. Ameryll ist ein sehr seltenes, arkanes Metall, welches mit dem heutigen Wissensstand nicht bearbeitet werden kann, in früher heligonischer Geschichte wohl aber zur Herstellung mächtiger Artefakte Verwendung fand.
Die Talwacht-Bewohner konnten uns wahrnehmen und auch mit uns interagieren. Sie nahmen aber neben uns noch eine Vielzahl anderer Wesen und Dinge aus ihrer Zeit war, die sich unserer Wahrnehmung entzogen. Experimente zeigten, das Talwachtbewohner, die die Burg verließen, sich in ihrer Zeit bewegten und auch Besuch aus dieser Zeit empfingen, wenn unsereins aber hinaustrat, sich in unserem Zeitenstrang befand. Unter den Talwachtbewohnern wandelten auch Phiare, die uns aber nicht wahrnahmen oder ignorierten. Die Bewohner von Talwacht konnten die Phiare nicht wahrnehmen.
Die Phiare beschränkten sich nach meinen Kenntnisstand darauf, hinter den Personen herzulaufen und sie zu beobachten. In einem Fall jedoch wurden die Phiare aktiv. Es waren 2 der Talwacht-Phiare, also solcher, die unsere Existenz ignorierten und sich lediglich um die Personen der anderen Zeitebene kümmerten. Sie umkreisten Ramon, den Lehrling des Alchemisten und Schriftkundigen von Talwacht, der seinem Meister bei der Verarbeitung des Amerylls half und plötzlich konnte er sie sehen. Als gläubiger Ceride versuchte er vor ihnen zu fliehen, doch sie trieben ihn zum Tor hinaus. Die anderen Talwachter konnten die Phirare nicht wahrnehmen. Ungefähr drei Schritt aus dem Tor hinaus verschwanden Ramon und die 2 Phiare auch für unsere Augen.
In unregelmäßigen Abständen durchlief die Talwacht-Spähre Zeitsprünge. Sie kündigten sich durch einen Ton an, der an einen tiefen Gongschlag erinnerte und führte dazu, dass alle Bewohner, die sich im Talwacht-Strang befanden, in Regungslosigkeit verharrten, man könnte gar von einer Versteinerung sprechen. Interessanterweise schien dies auch die Phiare zu betreffen, die diesem Zeitstrang zugeordnet waren, soweit man dies von außen beobachten konnte, da sie ohnehin nicht auf uns reagierten.
Zu einem späteren Zeitpunkt, in Talwacht waren mehrere Monde und für uns nur Augenblicke vergangen, kehrte Ramon zurück und nahm seinen Platz wieder ein. Er war verstört, konnte sich aber nur an ein „Schwarzes Licht“ erinnern. Ich hatte keine Gelegenheit ihn allein auf die Phiare anzusprechen, stets war er in Begleitung des Vogts oder anderer Talwachter, so dass ein Versuch gefährlich gewesen wäre. Im Zeitfenster der Talwachter trat das Ereigniss „Die Ankunft der Künstler“ auf. Um Talwacht zu verschönern wurden bedeutende Künstler aus ganz Tlamana eingeladen. En Auftrag erhielt ein ganz spezieller Künstler, denn Name auch irgendwo niedergelegt war. Im Laufe der Zeit wurde deutlich, dass der Künstler sehr unter Druck stand, sogar gesundheitlich angegriffen schien. Er sollte sich eigentlich mit dem Ausbau der Burg befassen, begann dann aber ein Bild zu malen, ein sehr seltsames Bild, ähnlich einem Knoten aus Hae Brasil. Dieses Bild erschien sehr wichtig, beinahe wie eine Besessenheit, die nicht nur den Künstler sondern alle Talwachter ereilte. Woher die Inspiration und die Besessenheit des Künstlers kamen, in welcher Beziehung das Ameryll und die Phiare zu diesem Bild stehen u. ä. entzieht sich meiner Kenntnis.
Die Zeremonie zur Gründung der Akademia verlief dennoch friedlich, wenn auch aufgrund o. g. Geschehnisse nicht ereignislos. Es gab Gerüchte über die Anwesenheit eines Mitgliedes des Dunklen Ordo Mechanikus, der die Gründung der Akademia sabotieren wollte. Eine verdächtige Person, die falsche Auskünfte bezüglich ihrer Herkunft machte, wurde festgesetzt und den örtlichen Behörden übergeben. Durch die Zeitsprünge rasant vorangetrieben näherte sich der Zeitpunkt, da Talwacht in ihrem Fortgang der Dinge entschwand. Die Vermutung lag nahe, nun da die Sphären von Idyllie und Talwacht verschmolzen waren, deren Schicksal auch uns zu treffen vermochte und wieder suchten die Magier nach Gegenmaßnahmen. Anzumerken ist hierbei noch, dass der Prior des Ordo Nexus die meiste Zeit dieses Tages nicht ansprechbar gewesen war, sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte und niemanden empfing.
Die Magier arbeiteten ein Ritual aus, die 2 Sphären mittels Resonanzen wieder zu trennen und benötigten Gegenstände, die ganz explizit den einzelnen Sphären zugeordnet waren. Dies gelang wohl auch. Während der Vorbereitungen zu diesem Ritual wurde ein Apparatus gefunden, der wohl auf Tätigkeiten eines Mitglieds des Dunklen Ordo Mechanikus zurückzuführen war. Diese Apparatus war geeignet die zerschmolzenen Sphären zur Gänze zu zerstören. Mittels Resonanz wurde der Träger des Apparatus aufgespürt und konnte festgesetzt werden. Der Auslöser wurde aber meines Wissens nach nicht gefunden. Der Apparat konnte dennoch entschärft werden.
Die Magier führten das Ritual durch und wieder hatte es einen Nebeneffekt. Es kam zu etwas, das mit „Dem Aufmarsch der Banner“ am besten umschrieben wird. Durch das Tor von Talwacht/Idyllie traten eine größere Menge Phiare und eine große Gestalt, die wohl als König angesehen werden sollte. Mit sich führten sie Banner, auf denen prae-heliotische Zeichen angebracht waren. Die Banner waren reinstes Weiß, mit schwarzen Zeichen, von eineinhalb Schritt Länge. Es wurden, so glaube ich, Zeichnungen hiervon angefertigt. Nebenbei sei angemerkt, mir viel auf, dass Phiare an ihren Rocksäumen oft gleichsam prae-heliotische Zeichen, dann weiß auf schwarz, tragen.
Leider war mir der Blick auf die Handlung versperrt, die sich dann zwischen den Phiaren und den Talwacht-Bewohnern entsprang. Am Ende jedoch lagen die Talwachter allesamt am Boden und die Phiare waren verschwunden. Die einstmals Entschwundenen konnte mit uns in unsere Zeit zurückkehren.

Erschienen in Portal 11,