Einer der vielen Höhepunkte der Festtage zur Übernahme der Regierungsgeschäfte von Herzog Angilbert I. Uriel, sicher aber der für die Zuschauer spektakulärste, war die große Flottenparade auf dem Brazach am 13. Tag des 1. Poena 42 n.A.III. Die Gerüchte, wie viele Meilen der Konvoi wohl lang wäre und wie viele Schiffe dabei sein würden, wurden von Stunde zu Stunde ausufernder. Doch kaum einer wusste so recht, was die Zuschauer erwarten würde. Und viele, unüberschaubar viele Zuschauer waren an das Brazachufer gekommen. Selbstredend war die Ehrentribüne bis auf den letzten Platz gefüllt und neben dem jungen Herzog waren mehr Herrschaften von Stand vertreten, als auf so manchem Adelstag. Ebenso war das gesamte Admiralskorps der Marine in Galauniform zugegen. Inmitten dieser trauten Runde war auch die Seeherrin von Drachenhain zu finden, die sich offensichtlich sehr wohl fühlte. Insgesamt wäre es hier müßig, endlose Listen von Namen aufzuzählen. Ebenso wollen wir den geneigten Leser nicht mit Flottenlisten langweilen und werden Schiffsnamen deshalb nur im Ausnahmefall erwähnen.
Schon von weitem sah man die vollbesegelten Schiffe den Fluss herabkommen. Die Eröffnung machte die Abordnung des Marinekurierdienstes. Kurierschiffe mit bunt bemalten Segeln in sauberer Formation zogen am Stadthafen vorbei. Es waren – der Anzahl der ostarischen Baronien entsprechend – zwölf Schiffe und auf jedem Segel prangte übergroß und leuchtend ein Baroniewappen. Für den Kenner aber noch bemerkenswerter als dieser farbenfrohe Eröffnungsgruß waren die Soldaten an Bord. Auf jedem Kurierschiff stand in schneidigem Habacht eine Gruppe von Männern in schwarzen Uniformen: Marashnattern. Die Elitetruppe der ostarischen Marineinfanterie grüßte so den herrschenden Herzog und führte gemeinsam mit den Baronien den Zug an.
Gefolgt wurde diese Formation von den Schiffen der Gesandtschaften. Eine große, bunte Schar von Schiffen kam den Fluss herab, fast jeder der anwesenden Gäste war per Schiff angereist und eben jene waren nun Teil der Parade. Die weiteste Anreise hatte sicherlich die Karacke „Felsental“ aus dem gleichnamigen fernen Lande Felsental, im Norden der Mittellande, mit welchem Ostarien seit dem letzten Adelstag in Verbindung steht. Ein stolzes Schiff, mit dessen Größe nur Wenige konkurrieren konnten. Der Karacke folgte auch gleich die größte Schiffsabordnung, welche durch die freie Reichsstadt Betis gestellt wurde. Unter der Flagge der stolzen Handelsstadt fuhren nicht weniger als vier Schiffe, nämlich jene die vor 5 Jahren am großen ostarischen Flottenmanöver vor dem Herzog-Uriel-II-Atoll teilnahmen. Ebenfalls einen weiten Weg auf sich nahmen die zwei Koggen aus Seeburg am Bodenlosen See, von wo auch eine Abordnung zu den Feierlichkeiten angereist war. Eine Neuerung aus Drachenhain waren die beiden Handelsfahrer, die aus Lindfurt gesandt wurden. Die neuen Schiffe der Linnen-Klasse sollen den Flusshandel weiter beleben und werden sicher zukünftig noch öfter in Ankur zu sehen sein. Noch weiter aus dem Süden, nämlich aus Thal kam der neue Hochsee-Segler der Baronie Welzen, die „Sirkos“. So mancher Seebär mutmaßte hierauf, ob sich Welzen wohl zukünftig stärker in den Südlanden engagieren werde. Den meisten Platz in diesem Teil der Parade hatte aber das Kurierschiff „Nordschwalbe“ das für Arnach aus seinem Stationierungsort Härtwigs Hafen angereist war. Wirklich bedrohlich hierbei waren aber die Aufbauten auf dem Deck, die einige Ingenieure des Arnacher Arsenals anbrachten, um am Abend ein Feuerwerk abzubrennen (welches, wie sich später herausstellte großartig und weitgehend ungefährlich war). Trotz der sicheren Zusage, während der Parade kein offenes Feuer an Deck zu haben, bewahrte so mancher andere Schiffsführer angemessenen Abstand. Immer wieder durch kühne Wendemanöver und kräftige Ruderschläge ihre Position wechselnd sorgten zwei Angaheymer Drachen immer für Aufsehen. Ebenso trugen die stolzen Hochtalbewohner ihre Freude aber auch durch wilde Gesänge und Jubelrufe zur Schau.
Nun war es an der drachenhainisch-ostarischen Allianzflotte, dem Herzog zu huldigen. Auch wenn der Stueren-Konflikt im Moment nur leise schwelt, sorgen diese tapferen Seeleute für Sicherheit und Nachschub an der Nordwest-Grenze. Sechs Schiffe, jeweils eines aus Drachenhain und eines aus Ostarien fuhren Eines neben dem Anderen den Fluss herab und als Zeichen der Verbundenheit waren mit Wimpeln und Blumen verzierte Girlanden zwischen den Schiffen gespannt. Hier fuhren die ostarische „Jolseelilie“ und drachenhainische „Südwind“ Seit an Seit. Die beiden Flaggschiffe zeigten so jedem Zweifler offen, dass zwischen die beiden noblen Länder kein Keil zu treiben ist.
Der nächste Teil Parade war nun die Ehrenformation der Schiffstypen der Ostarischen Marine. Für die Ruderkampfschiffe fuhr die legendäre „Pfeilschnell“ unter ihrem nicht unbekannten Kommandanten Joost van Goov. Die Bewaffneten Fischereifahrzeuge wurden durch die „Baroness Sophia“ vertreten. Gerüchte sprechen dem kleinen Schiff sagenhafte Eigenschaften zu und nicht umsonst ist die „Baroness“ das einzige Schiff, das die Erlaubnis hat, die gefürchtete Yagibur-Route zu befahren. Die Frachtkoggen wurden durch die „Carolus Valentinus“ vertreten (deren hagerer Kapitän für seine grotesken Erzählungen bekannt ist). Die Kriegskoggen der Darbor-Klasse wurden von der in Ankur beheimateten „Lodenburg“ vertreten. Die modernen Schiffe der Herzog-Uriel-Klasse repräsentierte die „Prinzessin Richiles“, die bereits am 2. Ödlandkrieg teilgenommen hatte. Das letzte Schiff diese Gruppe war die „Utzgolf“ eines der neuen, großen Lazarettschiffe der Flotte.
Mit besonderem Jubel wurden nun die drei Schiffe der 1. Ostarischen Expeditionsflottille empfangen. Geführt wurde diese Gruppe wie immer durch das eherne Kommando von Ostariens wohl bekanntestem und verwegenstem Seehelden, Kommodore Xurlsen Kielholer, auf dessen Taten sich auch der Ruf der oben erwähnten „Pfeilschnell“ stützt. Für die Flottille aber war es auch eine Abschiedsfahrt denn zwei Tage nach den Feierlichkeiten brachen die Schiffe ein weiteres Mal über die Weltmeere auf um Länder zu sehen, die nie ein Ostarier zuvor betreten hat.
Zuletzt nahte eine Gruppe großer Segler verschiedener Bauart. Wie auch die erste Gruppe hatten sie prächtig bemalte Segel, aber diesmal prangte auf jedem strahlend weißen Leinen das Wappenschild mit der Marashnatter, das Wappen des Herzogtums. Es waren die „Erzmark“, Flaggschiff der Brazachflotte, die „Prinz Aftalun“ Flaggschiff der Jolbornflotte, die „Xurliana“, Flaggschiff der Kolonialflotte und die „Anselm von Thal“, Flaggschiff der Emaranseeflotte. Diese Formation war in der Tat eine Premiere, denn alle Flaggschiffe der vier ostarischen Flotten an einem Ort, das gab es vorher noch nie. Bisher war der Wasserweg zum Emaransee nicht schiffbar und die „Anselm von Thal“ war das erste große Schiffe, dass vom See herabgeschleust wurde (und das ganze drei Tage vor der Eröffnung des Herzog- Angilbert-Kanals, der bürokratische Aufwand muss gewaltig gewesen sein!).
Jubel allenthalben und so manchem wurde vom vielen Salutieren der Arm schwer. Die Stimmung auf der Ehrentribüne war fröhlich, ausgelassen aber auch würdevoll und in der Mitte sah man den jungen Herzog stolz und zugleich gerührt. Wer im Lande konnte schon von sich behaupten, mit solch einer Parade geehrt worden zu sein?

Verfasst am 13. Tag des 1. Poenamondes im Jahre 42 n.H.A.III zu Ankur
Leutnant Claas von Stockbach-Jungingen für die Schreibstube der Admiralität zu Ankur

Erschienen in Helios-Bote 76, Betiser Tribüne