In einer kleinen, beschaulichen Burg inmitten der Wälder von Grünwalden. Auf dieser Burg Tannengrün sollten in diesem Jahre die fähigsten Gelehrten unseres Königreiches zusammenfinden. Dennoch waren einige ungewöhnliche Gäste, die man vielleicht eher auf dem Adelstage vermuten würde zugegen: höchstrangige Herrschaften aus allen Teilen Heligonias. Dies war kein Zufall, sondern lag vielmehr in der Absicht unseres weisen Herrschers König Aximistilius III, denn er wünschte die weltlichen Stützen seines Reiches nicht im Dunkeln über die Geschehnisse im Lande lassen. Als würdigen Vertreter entsandte unsere Majestät den Prior des Nexus Corenae Atharan. Dieser hatte für die edlen Gäste und interessierten Zuhörer einen Vortrag über die wichtigsten Ereignisse und neusten Erkenntnisse in den Bereichen der präheliotischen Forschung zusammengestellt. Auch andere Gelehrte nahmen diese Zusammenkunft wahr um ihre geschätzten Kollegen und die adeligen Gäste über ihre neuesten Forschungen und Erkenntnisse zu unterrichten. Wie sich jedoch bald herausstellte sollte dies jedoch nicht der einzige Zweck dieser Zusammenkunft bleiben: Am Ort des Zusammentreffens, Burg Tannengrün, hatte der Nexus Corenae eine erst vor kurzem entstandene Aura bisher unbekannter Struktur entdeckt. Diese Entdeckung wurde von Atharan zum Abschluß seines Vortrages den anwesenden Gästen vorgestellt und sollte zum Anlaß dienen sie gemeinschaftlich näher zu erforschen. Speziell zur Erforschung und Analyse von Auren hatte Alfonso, ein vom Nexus auf der Burg mit der Aurenkartographie beauftragter ehemaliger Ordo Mechanicus, einen phantastisch anmutenden Apparatus hergestellt. Vermittels dieses Apparatus war es Alfonso auch gelungen die neuartige Aura zu entdecken. Nachdem jedoch Alfonso, im Anschluß an Atharans Vortrag, zu Wort kommen sollte, um seinen Apparatus und seine Entdeckung vorzustellen, brach dieser vergiftet zusammen, bevor er relevante Begebenheiten seiner Entdeckung oder der Bedienung seines Apparatus berichten konnte. Nunmehr war man also zur Erforschung von Alfonsos Entdeckung auf seinen eher unfähig erscheinenden Lehrling und der Untersuchung von Alfonsos Laboratorium angewiesen. Gleichzeitig drängte Atharan jedoch auch zu einer Aufklärung des Mordes an Alfonso. Und so verging der erste Abend des Gelehrtenkonvents, wobei man allerdings weitere Entdeckungen machte: Aus dem angrenzenden Wald, in dem auch die außergewöhnliche Aura entdeckt wurde, kamen einige sich merkwürdig und wirr, teilweise sogar aggressiv verhaltene Personen, die wie in Trance durch die Burg wandelten und auf keinerlei Zusprache regierten. Auch einige wenige der anwesenden Gäste, deren Begleiter und Bewohner der Burg wurden zeitweise von diesem tranceartigen Zustand befallen. Nach ihrem Erwachen aus dieser Trance konnten sie sich jedoch nicht daran erinnern was mit ihnen geschehen oder wie sie an den Ort gelangten, zu dem sie in ihrer Trance gelaufen sind.

Der nächste Tag des Konvents begann dann mit einem Ritual von Jakob dem Wanderer, welcher auf dem Markt von Sarniant spurlos verschwand, von dem seit kurzer Zeit jedoch schon wieder gemunkelt wurde, er sei wieder in Heligonia unterwegs. Dieses Ritual schien von Jakob und einigen der anderen Anwesenden für diesen Konvent schon im Voraus geplant gewesen zu sein, und sollte dazu dienen einer Person, Argast mit Namen, das Verlassen der Insel Yagibur und den Übertritt zu dem Konvent zu ermöglichen, welcher dieser Person ohne fremder Hilfe nicht möglich wäre. Das Ritual an sich wäre nicht sonderlich erwähnenswert gewesen, wären nicht einige besondere Begleitumstände gewesen: Zum Einen wurde dieses Ritual mit einer Form der Magie durchgeführt, welche nicht nur mir bisher unbekannt war: der andratischen Runenmagie. Jedoch schienen die Durchführenden, die Gelehrten Jakob der Wanderer, Belgabor und Rasmus Adastrasus, diese Magieform zu kennen und zu beherrschen. Zum anderen schlug das Ritual fehl, und alle Anwesenden sahen sich unversehends einem Jäger des Unsichtbaren gegenüber. Jakob der Wanderer wurde vom Unsichtbaren um sein Leben gebracht, die anderen jedoch wurden von einer anwesenden Person beschützt, welche dem Jäger in den Weg trat und diesem befahl diese zu verschonen. Daraufhin befragt, wie diese Person es geschafft hat, dem Unsichtbaren Einhalt zu gebieten, behauptete diese, sie wisse es nicht, wie sie es getan hätte, es sei nur eine unmittelbare Reaktion gewesen ohne genauere Überlegung. Diese Erklärung erscheint mir im Nachhinein jedoch etwas zu einfach, und so wird dieses Ereignis eines der Rätsel dieses Konvents bleiben, welche uns zu denken geben sollten. Merkwürdig bleibt auch der Sinn und Zweck des Rituals, denn man fand einen Abschiedsbrief bei Jakob dem Wanderer, in dem geschrieben stand, daß Jakob seinen Tod bei diesem Ritual erwartet hat. Weiterhin schrieb Jakob in diesem Brief, daß er, entgegen seiner Aussagen nicht die Errettung Argasts bezweckt hatte, sondern etwas anderes. Was dieses Ritual nun genau bezwecken sollte, bleibt ein weiteres Rätsel dieses Konvents, denn das Jakob das Unsichtbare mit Vorsatz auf den Konvent rufen wollte, kann ich mir bei weitem nicht glauben. Derweil, während dem Ritual, traf ein Bote auf der Burg ein, welcher um Hilfe für eine Reisetruppe bat, die in der Nähe auf ihrem Wege zum Konvent von Personen überfallen wurde. Der Bote berichtete davon, daß die Angreifer stumm in einer Art absonderlicher Trance kämpften. Nachdem man zur Reisegruppe aufgebrochen war, deren Verletzungen versorgt hatte und man sich auf dem Rückweg befand, wurde diese Gruppe erneut von den seltsamen Angreifern schonungslos und heftig angegriffen. Jedoch genauso schnell wie die Angreifer erschienen waren verschwanden sie auch wieder, so daß die nunmehr erneut schwer angeschlagene Gruppe den Konvent letztendlich erreichte. Auch fiel mir auf, daß mir eine der Personen aus der Reisegruppe seltsam bekannt vorkam, ich wußte zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht woher. Diese Person verschwand, auf dem Konvent angekommen, auch recht schnell aus unseren Blicken. Nach einer haarsträubenden Umkonfiguration und Umdefinition vom Funktionsmechanismus des Apparatus durch Alfonsos Lehrling und unter Mithilfe diverser Gelehrter, wurde unter Zuhilfenahme des Apparatus nunmehr eine Heilung aller Verletzten vorgenommen. Nach diesem Ereignissen und auch in Bezug auf die Beobachtungen des Vorabends begab man sich nun an die nähere Untersuchung des Waldes und der dort entdeckten neuartigen Aura. Es wurden anhand von notizenhaften Aufzeichnungen Alfonsos die man in seinem Labor gefunden hatte und unter Zuhilfenahme eines beweglichen Teiles von Alfonsos Apparatus bestimmte Orte im Wald aufgesucht und dort eine Probe entnommen. Auch diese Unternehmungen wurden in zunehmendem Maße von den sich merkwürdig verhaltenden Personen aus dem Wald gestört. Bei einer der ersten näheren Untersuchungen der Proben durch den Apparatus kam es dann zu einem Anschlag auf des Leben des Lehrlings: Ein ihm gereichter Schluck Wasser war vergiftet. Nähere Untersuchungen dieses Vorfalls ergaben, daß der Lehrling dem selben Gift zum Opfer fallen sollte wie sein Meister Alfonso. Das rasche Eingreifen der anwesenden Beobachter konnte dieses jedoch verhindern, auch wenn die Hintergründe dieser Tat und auch der Vergiftung von Alfonso weiterhin im unklaren blieben. Auch wurde der Apparatus zwischenzeitlich sabotiert, auch hierbei blieben die Hintergründe und Täter zunächst unklar. Nach und nach stellte sich dann jedoch heraus, daß Alfonso zum Bau seines Apparatus wertvolle Komponenten benötigte, zu deren Kauf er Schulden gemacht hatte. Die Gläubiger verlangten nunmehr die Einlösung der Schulden, und da Alfonso nicht mehr greifbar war wandten sich diese an den Lehrling, worauf dieser die Gläubiger mit den wertvollen Teilen des Apparatus auszahlte. Nachdem man dieses Problem erkannt und Ersatz geschaffen hatte, konnten die Untersuchungen der Proben fortgesetzt werden. Dabei wurden die anwesenden Beobachter jedoch eines überraschenden Verhaltens des Apparatus teilhaftig: Die Probe schien bildlich zu ihnen zu sprechen, ja sie stellte mit ihr im Zusammenhang stehenden Begebenheiten szenisch dar. Sofort wurden weitere Proben gesucht, und auch diese, sofern sie einem der Orte der neuartigen Aura entstammten, ‘erzählten’ Begebenheiten der mit ihnen im Zusammenhang stehen Begebenheiten. Schon bald stellte sich heraus das diese Szenen von Menschen handelte, die die Gelehrten zu heutiger Zeit als die Vergessenen kennen. Man konnte in diesen Szenen miterleben, wie diese Vergessenen eine höhergestellte Persönlichkeiten davon überzeugen suchten, von einem bestimmten Vorhaben abzulassen, welches sie fürchteten, jedoch nicht von den Höhergestellten erhört wurden. Die Vergessenen beschlossen daher, sich in eine Zuflucht zurückzuziehen, jedoch schien die Wahl nicht einfach, da der Ort ihrer Zuflucht bestimmte Konstellationen von Sphären und Auren aufweisen mußte, um sie genügend vor dem zu beschützen, was sie fürchteten. Sie schufen sich daher eine arcane Zuflucht an zwei Orten, da nicht mit Bestimmtheit zu sagen war welcher der beiden Orte der sicherere sei, und begaben sich in ihre Zuflucht. Die weiteren Proben zeigten dann grelle und sehr verwirrende Szenen, die einen annehmen lassen, das eine dieser Zufluchten wohl zerstört wurde. Die Aura dieser zerstörten Zuflucht der Vergessenen wurde, wie es scheint, hier am Ort des Konvents entdeckt. Auch die Vorfälle der Vergiftungen klärten sich nunmehr nach und nach auf: Auch die Vergessenen und deren Helfer hatten von der Entdeckung dieser außergewöhnlichen Aura vernommen gehabt, und sehr schnell deren wahre Natur erkannt. Nunmehr wünschten sie sich eine Rettung der Seelen ihrer Brüder und Schwestern, und ihnen war daran gelegen, daß möglichst wenige von diesen Dingen erfuhren. Daher haben sie Alfonso vergiftet und versuchten desgleichen bei seinem Lehrling. Jedoch stellten die Vergessenen fest, daß die Seelen ihrer Brüder und Schwestern zu zerbrochen und zersplittert waren um gerettet zu werden. Daher benötigten sie nunmehr die Mithilfe der anwesenden Gäste des Konvents, um ihren Brüdern und Schwestern die letzte Ruhe zu ermöglichen: Fragmente dieser Seelen bemächtigten sich nunmehr willkürlich von Personen und trieben diese zu den merkwürdig anmutenden und aggressiven Taten, der sich tranceartig verhaltenen Personen. Uns anwesenden Gelehrten war diese Zusammenarbeit zwar zuwider, da jeder Gelehrte seit dem Markttag in Betis von Verbindung zwischen den Vergessenen und dem Unsichtbaren weiß, jedoch konnten auch wir uns, zumindestens dieses Mal, nicht der Zusammenarbeit entziehen, denn auch wir wünschten das Problem der besessenen, teilweise sehr aggressiven Personen gelöst. So ging dann der Gelehrtenkonvent auf Burg Tannengrün seinem Ende zu, indem die zerbrochenen Seelen der zerstörten Zuflucht der Vergessenen dem Unsichtbaren überantwortet wurden. Mir graust es noch jetzt vor der Vorstellung, ob der direkten Nähe des Unsichtbaren zu meiner Person.

Der Beobachter

Erschienen in Portal 9,