Am Nachmittag des zweiten Tages trafen alle wieder auf der Wiese ein. Ich hatte bis dahin mit vielen Heimkehrern ein paar Worte gewechselt, Bekanntschaften geschlossen und manch interessante Geschichte erfahren. Nun bin ich kein großer Kenner des Utzganspiels, aber die Regeln sind mir vertraut, und ich habe schon einige wilde Kämpfe um die Socke oder – bei Traditionalisten – den Ring erlebt. Was ich nun aber zu sehen bekam, ließ mich nicht selten entsetzt die Augen schließen: Was Findabair als „alte Art“ bezeichnet hatte, war mehr Kampf als Spiel. Der Ring war aus Stahl und nur dünn mit Leder umwickelt, um die Kanten etwas abzumildern. Die Spieler schützten sich mit Polstern, Helmen und Lederrüstungen vor allzu schweren Verletzungen, und selbstverständlich gab es keine menschlichen Utzer, sondern zwei dicke Stangen im Boden. Findabair übernahm das Richteramt und hatte mehr zu tun als ihr lieb war, denn die beiden Mannschaften hatten ihre Wut aufeinander einige Jahre lang gepflegt. Nach mehreren ausgeschlagenen Zähnen, einem gebrochenen Oberarm und zwei Ausfällen wegen Bewußtlosigkeit stand es Fünf zu Vier für Thorkar und die Männer von Aithil, und das bedeutete seinen Sieg, da es bei dieser Variante offenbar keine zeitliche Begrenzung gab. Damit war das Spiel offiziell beendet, was jedoch Leif und Thorkar nicht davon abhielt, sich zu zweit weiter wütend um die Scheibe zu raufen. Allerdings war es bereits Abend, und das Publikum hungrig. Nach und nach begaben sich alle an die Lagerfeuer, die ersten Hörner Bier wurden geleert. Schließlich gingen Tallrim, Findabair und Rimgar nochmals zum Spielfeld, um nach den beiden einsamen Streithähnen zu sehen. Mit den Händen in den Hosentaschen standen sie da und beobachteten stumm die verbissenen Kämpfer. Schließlich schüttelte Tallrim den Kopf und rief: „Wenns no wos zum Essn wollts, dann derfats schee langsam kemma. Mia sauf ma scho.“ Verdutzt starrten sich die beiden Sturköpfe an und folgten den anderen endlich doch leicht schwankend ins Lager. Dort wurden die Schrammen, blauen Flecken und blutigen Nasen lachend kommentiert und jegliche Erwiderung sogleich mit einem kräftigen Schluck zum Schweigen gebracht. Als sie in den frühen Morgenstunden gefragt wurden, wer denn das einsame Spiel nun eigentlich gewonnen hätte, konnten sich die beiden beim besten Willen nicht mehr an die Zahl ihrer Utze erinnern, zuckten hilflos mit den Schultern, sahen sich an und begannen lauthals zu lachen.

Erschienen in Helios-Bote 76, Angaheymer Rufhorn