Boten-Teil: Drachenhainer Herold Seite 2 von 6

Kein Halfnetwort und Tschüss

Zum Schluss no an Tritt, liebevoll en da Arsch
des gabsch du uns mit so manches Jahr.
Dann war mer geerdet nach all dem Geschreibsel.
Halfnet schlupf in dei Stiefel nei Ärschle gäbs grad gnuag.

Aus der Baronie Luchnar

Vorspann

Zum letzten Erntedankfest Arán wurde das neue Lehen der tieflandstämmigen Bevölkerung in der Baronie Luchnar offiziell ausgerufen und mit dem Namen Artir benannt.
Die Ausrufung war im Wesentlichen eine innerluchnischen Angelegenheit, da die Luchner diese Wunde zunächst für sich selbst schließen mussten. Den geeigneten Ort fanden die Druidh nahe Kastelmond / Caistlemond, weshalb dort die Feierlichkeiten stattfanden.
Bereits im Zuge der Vorbereitungen wurde aber bereits eine zweite Feier geplant, um sich nach außen zu öffnen und ein auch heligonisches Fest für alle Freunde Luchnars zu feiern.
Diese Feier wurde im 1. Poenamond des folgenden Frühjahrs begangen. Stätte war vor allem der Hauptort des neuen Lehens, Rotmark / Ruadhmora, aber auch andere Teile des Landes wurden einbezogen.
Alle tief- und hochländischen Freunde Luchnars waren willkommen und erfreulicherweise kamen von Sedomee bis aus der Nordmark Gäste und Grußbotschaften.

Die Tage zuvor

Bereits seit Wochen bereitete sich Rotmark / Ruadhmora auf die Feierlichkeiten vor und in den letzten Tagen breitete sich im ganzen Land eine gewisse Spannung und Vorfreude aus.
Einzelne Gäste reisten bereits an. Baronin Jefferindell Karelia von Jolbenstein war bereits seit einigen Tagen auf der Feste Hautzensteyn bei Baron Koldewaiht und die gemeinsamen Kinder der beiden durchstreiften die Umgebung mit alten und neuen Freunden. Die älteste Tochter, Baroness Aurelia studierte die Gästelisten und freute sich darauf, wieder einmal heligonischem Adel zu begegnen.
Unterkunftsstätte dieser Gäste war zumindest für die erste Nacht die Feste, während alle anderen die Wahl hatten, zunächst auf der oder um die Feste unterzukommen oder direkt ins neue Lehen nach Rotmark oder Kastelmond zu reisen. Hier kamen auch schon manche Geladene an, vor allem aus den nördlichen Gebieten Luchnars, aus Flainey und von der recht nah auf dem halben Weg ins Tiefland gelegenen Drachentrutz.

„Mama, Mama, es ist so schön, dass Karelia und der Baron mit ihren Kindern mal ein paar Tage hier sind!“
„Ich glaube, die beiden finden das auch schön.“
„Warum sind die nicht öfter hier?“
„Nun, Karelia von Jolbenstein herrscht – oh Überraschung – über die Baronie Jolbenstein und Koldewaiht ist Baron von Luchnar. Weißt Du doch!“
„Aber sie könnte doch das halbe Jahr hier sein!“
„Und der Baron das halbe Jahr weg? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Außerdem haben die beiden mit den Jahren ganz gut austariert, wieviel Dosis Koldewaiht oder Karelia der jeweils andere verträgt. Da sollten wir den beiden nicht dreinreden.“
„Was meinst Du damit, Mama?“
„Ich meine: Da solltest Du mir jetzt nicht dreinreden.“

Gwontag: Erste offizielle Ankünfte

Am Gwontag fand auf der Feste Hautzensteyn ein Abendmahl statt für bereits eingetroffene Gäste, die entweder der Familie Hautzensteyn oder der neuen Lehensherrin Eylwine von Kastelmond (einst Esclarmond) und ihrem Gatten Kerstan von Tuachall enger verbunden waren, außerdem für weitere Gesandte heligonischer Lehen. Es war ein informelles Treffen, bei dem noch keine Grußworte überbracht oder Reden gehalten wurden; stattdessen gab es die Gelegenheit zu vielen informellen und persönlichen Gesprächen
Der Abend wurde nicht allzu sehr ausgedehnt, da für den nächsten Tag vor dem offiziellen Bankett einige Ausflüge geplant waren.

„Mama, Mama, wer war beim Essen dieser große Mann, der neben Vyslaine saß, der aussah wie ein Luchna, kenne ich aber nicht.“
„Hast Du von der Empore heimlich gelinst? Wer hat Dich denn da hingelassen?“
„Ich habe Vyslaines Schlüssel ausgeliehen bekommen.“
„Soso. Das war George Bannister MadGlas. Emissär, also Gesandter von Baron Krator von Rebenhain. Kann alles. Ist eben aus Luchnar. Passt aber auch zu Krator. Er ist sozusagen nach Rebenhain ausgewandert; also den umgekehrten Weg gegangen wie die Vorfahren von Freifrau Eylwine und Baron Koldewaiht. Auch das trifft ja ganz gut.“
„Und der neben ihm saß?“
„Rasekorn vom Schinderteich, Vogt von Störenweiler. Ein echter Rebenhainer. Würde vermutlich auch hierher passen. Ist aber sein eigener Geist. Deshalb würde er vielleicht hierher passen, aber nicht hierher wollen. Ach, jetzt wird’s kompliziert.“

Frohntag: Ausflüge

Am Frohntag stand den Gästen noch Zeit zur freien Verfügung. Für Interessierte wurden drei Exkursionen angeboten. Eine führte zur Heilerschule nach Tuachallnioch, wo sowohl hochländische Heilkunst als auch tiefländisches Wissen vermittelt wird. Es gibt eine Zusammenarbeit mit einer ähnlichen Stätte in Buchenfels, weshalb die Heilerschule der einzige Ort Luchnars ist, an dem man regelmäßig auch Ceriden antreffen kann. Zweites mögliches Ziel war die Sternwarte Luchnars in den Hügeln hoch hinter Soilachnioch. Die dritte Option war eine Wanderung von Kastelmond zum Ort der Lehensausrufung am Erntedankfest im vergangenen Herbst.
Für die ersten beiden Varianten musste früh aufgestanden werden. Der überwiegende Teil der Gäste entschied sich jedoch für die Wanderung. An der Stelle der Ausrufung erläuterten eine Druidh und ein Sagai noch einmal Ablauf und Hintergründe der Ausrufung aus Geweihen-Sicht. Anschließend stand den Teilnehmern frei, den relativ langen Rest der Strecke bis Rotmark zu Fuß zurückzulegen oder sich fahren zu lassen.

„Mama, Mama, der Bärtige war gar nicht dabei, als die zur Heilerschule nach Tuachallnioch aufgebrochen sind!“
„Der wohnt ja auch gleich über den Pass nach Tatzelfels Gleich über den Berg, mit einem schnellen Pferd ist das vielleicht eine Stunde oder ein bisschen mehr. Er ist der Grenzvogt, Konrad von Trutzberg. Ist vermutlich direkt von der Trutzburg aus zur Heilerschule und hat dort den Rest der Gruppe getroffen.“
„Und was wollte dieser Südländer mit dem Wickelschal um den Kopf auf der Sternwarte?“
„Kein Schal, ein Turban. Kein Südländer, ein Ehren-Shimshiri der Universität Marola in Sedomee und ja, das ist im Süden. Sternwarte vermutlich (sicher weiß ich das nicht), weil er sich um Kartografie und Landvermessung kümmert – und die Sterne helfen ja auch, Wege und Richtungen zu finden. Das ist Skala ben Immdich vom Sefardi-Clan. Sein Spezialgebiet ist, glaube ich, die Gewichtsmesskunde.“
„Benimm Dich? Das klingt ja lustig!“
„Jetzt hör mal zu. Mama trinkt gerne Or-Ban, ja? Für manchen Tiefländer klingt das wie Ohr-Bann, also total bescheuert. Ist es bescheuert? Nein! Also mach Du Dich auch nicht über andere Namen und Sprachen lustig.“

Frohntag: Bankett

Am Abend des Frohntags fand in Rotmark ein großes Bankett statt. Rotmark war eigentlich viel zu klein für die Zahl der Gäste. Die Lage an den Heideausläufern hatte aber den Aufbau einer riesigen Zeltstadt ermöglicht, die im Halbkreis an Rotmark angeschlossen war. In der Mitte brannte ein großes Feuer.
Zum Glück war es für die Jahreszeit unüblich warm und so konnten die Seitenwände der Zelte zueinander und zum Feuer geöffnet werden, so dass jeder die ganze Feier überblicken und auch zwanglos seinen Platz wechseln konnte.
Freifrau Eylwine von Kastelmond, Baron Koldewaiht von Hautzensteyn und der einzige Hochdruidh, dessen Cairn im neuen Lehen lag, sprachen vor den Beginn des Banketts einige einführende Worte. Eigentliche Reden waren für diesen Tag aber nicht vorgesehen.
Es gab eine Vielzahl an luchnischen Speisen und Getränken und so dauerte bereits der offizielle Teil des Banketts mehr als drei Stunden. Viele feierten anschließend noch tief bis in die Nacht weiter, aber ein Gutteil suchte auch gegen Mitternacht oder früher sein Bett oder Lager auf, denn die Hauptfeierlichkeiten waren ja erst für den nächsten Tag geplant.
Manche der Gäste, die bisher auf der Feste Hautzensteyn oder in Kastelmond untergebracht waren, hatten ihr Gepäck herbeibringen lassen und bezogen eine angemessene Schlafgelegenheit im Haus der Freifrau Eylwine. Andere zogen es vor, sich mit der Kutsche zum bisherigen Domizil zurückbringen zu lassen.

„Mama, Mama, wer war beim Bankett denn dieser stattliche, gerüstete und doch ele…elegate.. Baron glaube ich?“
„Du meinst elegant und du meinst Hektor von Eichenstein. Der ist fast ein Nachbar, auf der anderen Seite des Brazach, Nicht so weit. Du musst nur durch Tatzelfels oder Wolfenfeld durch. Hast seine Qualitäten ganz gut erfasst.“
„Und dieser andere, der so ganz hochgestochjen aussah, mit der Heliossonne?“
„Raphael von Sarmand, Reichsritter – und der ist wirklich richtig offiziell da, im Auftrag des Königs. Es ist schon eine Ehre, dass der König ihn zu diesem Anlass geschickt hat.“
„Und die noch andere, die wie Benimmdich angezogen war, aber vornehmer und von irgendwem Grüße ausgerichtet hat? Dem Baron direkt. Habe ich gehört.“
„Mukhti vom Shamanka Clan, die politische Beraterin der Freigräfin Amira Kaela von Sedomee. Von der stammen auch die Grüße. Auch eine echte Ehre, denn Sedomee ist weit weg!“
„Puh, ist das kompliziert.“
„Du erfasst so manches schon ganz gut. Vielleicht wirst Du mal mein Nachfolger!“
„Bloß nicht!“

Redonstag: Reden

Das Frühstück wurde den Gästen informell und je nach Aufstehzeit bereitet, sollte aber kurz vor der elften Stunde möglichst beendet werden. Zum gegebenen Anlass waren nämlich viele Reden geplant, denn es gab tatsächlich viel zu sagen. Das Wetter hielt und so fanden die Redner ihren Platz vor der Feuerstelle, von wo sie bei geöffneten Zeltbahnen in der ganzen Zeltstadt zu hören waren.
Als erstes redete der Baron des Landes, Koldewaiht von Hautzensteyn. Er schlug den geschichtlichen Bogen zurück zum Dòrchiu, dem Bruderkrieg im Hochland vor bald hundert Jahren, der die Tiefländer letztlich erst nach Luchnar gebracht hatte, schilderte die wechselhafte Geschichte des Clans- und Vogtswesens über die Jahrzehnte und wie das System, das einst den Zwist überwunden hatte, neuen Zwist hervorrief und letztlich in etwas Neues münden musste.
Danach sprachen nacheinander die Clansoberhäupter Gwarra Tekindra MadGlas, Gallory Lland MadRuadh und Flarn Flirhan MadUaine. Sie schilderten in teils sehr persönlichen Worten das Verhältnis der Clans und der Tiefländer zueinander während ihrer Zeit als Ceann und Ceanna Cuath, die jeweils mehr als 20 Jahre umspannte. Gwarra Tekindra brachte es in ihren Schlusssätzen wohl auf den Punkt: Sie konnte die Tieflandstämmigen als Hochlandbewohner annehmen, als sie begriff, dass das Land selbst sie angenommen hatte.
Diese Reden waren in ähnlicher Form bereits an der eigentlichen Ausrufung gehalten worden, enthielten diesmal aber mehr Erläuterungen für die tiefländischen Gäste.
Anders als auf der ersten Feier kamen diesmal aber auch die Vögte oder deren Kinder zu Wort.
Eyllinde von Kastelmond, achtes und jüngstes Kind des berüchtigten Eylhardt von Esclarmond und Schwester der neuen Freifrau Eylwine, schilderte, wie die Aufgabe der Vögte, das Land mit den Clans gemeinsam zu verwalten immer überflüssiger wurde, da die Clans ihre alten Zwistigkeiten längst vergessen hatten und wie die daraus entstehenden Probleme ihre Familie spalteten. Ihr Vater Eylhardt und ihre Brüder Eylbrandt, Eylwald, Eylfred und Eylmar entschieden sich letztlich auf zunehmenden Druck für das Tiefland, Eylwine, sie selbst und ihre Brüder Eylbert und Eylram für das Hochland. Seither seien ihr Freunde aus den Clans und aus Artir neue Geschwister geworden.
Kerstan von Tuachall sprach für seinen nicht anwesenden, hochbetagten Vater Danrrad. Er erzählte, wie er als Kind erzogen wurde, einmal ein Provinzherrscher zu sein, als Jüngling die notwendige Schulung erhielt, eine solide kämpferische Ausbildung und Erfahrung mit den Bedürfnissen von Tief- und Hochländern. Als Baron Koldewaiht dann entschied, dass es das Vogttum nach der Generation seines Vaters nicht mehr geben werde und die Kinder der Vögte die Möglichkeit bekämen, Gesandte Luchnars zu werden, gab Fürst Leomar ihm den Posten des Burgvogts auf seiner Feste Drachentrutz, für den sein Werdegang letztlich ideale Voraussetzungen bot. Er sei damit nun Hochland, Tiefland und der Drachentrutz verbunden und als Ehemann von Eylwine von Kastelmond natürlich besonders dem neuen Lehen Artir.
Gisrod von Soilach sprach als einziger der drei verbliebenen Vögte selbst, allerdings nicht allein, sondern zusammen mit seiner Frau Liolyn MadUaine und der gemeinsamen Tochter Ylvi Dora. Lyolin und er hatten vor fast 50 Jahren gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet. Die Ehe war ein Skandal und Liolyn verlor alle Rechte bei ihrem Clan. Erst mit der Geburt Ylvi Doras ein Vierteljahrhundert später war es zu einer Annäherung gekommen und Liolyn wurde wieder und mit ihr ihre Tochter als MadUaine aufgenommen. Gisrod betonte, dass ihm in all diesen Jahren klar geworden sei, was wirklich wichtig sei. Sein Titel als Vogt, den er ja noch immer habe, sei es nicht und ihre Tochter brauche einen solchen Titel auch nicht.
Samuel von Turlach redete für seinen ebenfalls anwesenden Vater Simuniel, der wie Gisrod und anders als Danrrad und Eylhardt seit jeher eher eine ausgleichende Position eingenommen hatte. In eindringlichen Worten breitete es aus, wie der Konflikt trotz seiner friedlichen Eltern ihn und seinen Bruder Lukas aus der Bahn geworfen hatte, ihn aus dem Hochland trieb, wie – ähnlich wie Kerstan – seine vielfältige Ausbildung aber half, erst Schwertführer Drachenhains zu werden und wie er im Stuerenkonflikt letztlich nach Ossiaris kam, wo er eine neue Heimat und seine Frau Ildari fand. Erst hier sei er zur inneren Ruhe gekommen und habe begriffen, dass er gleichzeitig Stadtvogt von Ossiaris, Schwertführer von Drachenhain und Samuel aus Turlach in Luchnar sein könne und wie sehr es ihn freue, dass diese Einheit in Vielfalt nun auch in seiner ersten Heimat offiziell und im Empfinden der Bewohner Wirklichkeit geworden sei.
Nach all diesen Reden von Bewohnern Luchnars gab es eine kurze Pause, in der Getränke gereicht wurden. Ein kleiner Chor von Angehörigen aller drei Clans, Ricarda Roythenbaum aus Rotmark und ein Duo, das Fürst Leomar von der Drachentrutz mitgebracht hatte, trugen jeweils ein Lied vor. Anschließend kamen die Gäste aus dem Tiefland zu Wort.
Es begann Reichsritter Raphael von Sarmand. Er richtete die besten Grüße von König Aximistilius III. aus und versicherte dessen ausdrückliche Billigung und Unterstützung der Gründung des Lehens Artir, einer Einigung, die ganz im Sinne des königlichen Toleranzgebotes sei und erfreulicherweise noch weit darüber hinaus weise.
Prinz Anselm und Prinzessin Celia von Thal überbrachten Grüße ihres Vaters, Fürst Bartha von Thal. Prinz Anselm erinnerte daran, wie der Baronientausch zwischen Thal und Drachenhain (Tatzelfels gegen Güldenthal) einst eine missliche Situation bereinigt hatte. Im Hochland seien solche „einfachen“ Lösungen von oben aber nicht möglich. Umso mehr freue er sich, dass es gelungen sei, eine für alle und das Land verträgliche Lösung zu finden.
Weitere Grußworte aus anderen Grafschaften und Fürstentümern wurden vorgetragen. Mukhti, Beraterin von Freigräfin Amira Kaela von Sedomee verlas ein Schriftstück mit den herzlichsten Glückwünschen der Freigräfin. Aus der Nordmark war eine sehr freundliche Depesche eingetroffen, allerdings ohne Nordmarker Boten, weshalb Vyslaine von Hautzensteyn, die Schwester des Barons sie rezitierte. Am kürzesten hielt sich Tallrim Stabschwinger, der Abgesandte aus Angaheym. Er hon sein Horn und donnerte über die Menge: „Aufs Land!“
Eine ausführlichere Rede hielt dann wieder Fürst Leomar von Drachenhain, der Lehensherr Luchnars und letztlich Artirs. Auch er malte ein sehr persönliches Bild von seiner Jugend auf der Drachentrutz an der Grenze von Hoch- und Tiefland, vom eigenen Familienkonflikt mit seinem Vater und wie dessen Starrsinn Drachenhain in einen Krieg geführt hatte, in dem sich Luchnar, statt zu taktieren, unmittelbar aufgelehnt und einen hohen Blutzoll gezahlt habe, der Hochland- wie Tieflandstämmige betraf. Der König selbst adelte damals die Aufständischen als Streiter für das Recht und in Drachenhain sei neuer Frieden entstanden. Umso mehr begeistere es ihn, dass Luchnar nach seinem Beitrag zur Einheit des Fürstentums auch seinen eigenen Frieden gefunden habe.
Endgültig den Bogen zurück ins Hochland schlugen dann dessen andere Herrscher. Foranan McDonough, der Baron von Flaitney erzählte, wie sein Vater mit der Idee eines tieflandstämmigen Barons trotz durchaus guter Zusammenarbeit noch gefremdelt habe, er selbst und Koldewaiht als Jahrgangsgenossen aber völlig selbstverständlich miteinander aufgewachsen seien. Caileen McGodfrey, die Baronin von Gaeltacht betonte, wie sie nach ihrer doch eher plötzlichen Ernennung zur Baronin sofort und dauerhaft um den Rückhalt von Luchnar und Flaitney gewusst habe.
Zuletzt sprach Eylwine von Esclarmond, die neue Freifrau und Ceart Caraid. Die bittere Vorgeschichte von Teilen ihrer Familie mit den Clans hatte bereits ihre Schwester Eyllinde ausgebreitet und so konzentrierte sie sich in ihren Worten auf ihre Liebe zu dieser Gegend und wie das Lehen in den letzten Jahren mit Hilfe vieler aufgebaut worden war. Sie schloss mit den Worten: „Auf Artir!“
Dieser Abschnitt des Programms war lang gewesen und deshalb bewusst früh eingebaut worden, um die Aufmerksamkeit der Gäste nicht zu sehr zu strapazieren. Nachdem (fast) alle Eylwine „Auf Artir!“ geantwortet hatten, was es höchste Zeit, sich ein wenig die Beine zu vertreten.

„Mama, Mama, die haben vielleicht viel geredet!“
„Naja, das Thema geht letztlich doch viele an, in Luchnar selbst, unsere Nachbarn, die Lehensherrn des Barons… da kommt schon einiges zusammen!“
„Wenigstens kannte ich einige, wie die Junker und Samuel von Turlach! Aber seine Frau kannte ich nicht!“
„Zu einem solchen Anlass immer noch Vögte, nicht Junker. Ja, ich bin sehr froh, dass Samuel gekommen ist und sogar seine Frau Ildari von Ossiaris, die Tochterherrin von Ossiaris und ihren Sohn Andaryn mitgebracht hat. Samuel verkörpert wie wenige den Hochland-Tiefland-Konflikt in Luchnar und kennt es als Drachenhainer Schwertführer und Stadtvogt von Ossiaris noch weit darüber hinaus, zugleich heimisch und fremd zu sein und seine eigenen Brücken zu bauen. Gut, dass er auch reden durfte!“
„Und Fürst Leomar kannte ich auch. Und der hat auch seine Frau und sein Kind mitgebracht! Und er hat ziemlich viel von früher geredet…“
„Sein etwas größeres Kind, ja, Prinzessin Lenia. Ich denke, er hat viel von früher geredet, weil einerseits der jetzt überwundene Konflikt seinen Ursprung vor langer Zeit hat und er andererseits den Baron schon ganz, ganz lange kennt, ich glaube länger als aller anderen Nicht-Hochländer hier, als er noch Leomar von Tatzelfels war, seine Frau Leabell von Ardelun aus Tlamana und ich ein Kind… Untereinander duzen sie sich, wenn sie alleine sind, wie Luchner. Ich glaube, da ist ganz viel Vertrauen dabei und das ist wichtig. Politik kann schwierig sein.“
„Zum Glück gibt’s sowas im Hochland nicht, oder?“
„Hm.“

Redonstag: Essenszeit

Die Reden hatten doch einen guten Teil des späten Vormittags und der Mittagszeit eingenommen, so dass nach etwas Bewegung mancher froh war, sich einfach wieder an einen Esstisch zu setzen. Das Wetter war unverändert schön, so dass die Zelte weiter offenstanden und noch kein Feuer entzündet werden musste. Das Mittagsmahl war reichhaltig, aber eher einfach gehalten. Um den Gästen dennoch etwas Besonderes zu bieten, wurden sämtliche Varianten an luchnischen Kräuter- und Früchtetees gereicht, darunter mancher, den kaum einer der anwesenden Tiefländer je verkostet hatte. Einige ließen sich bereits wieder gehaltvollere Getränke reichen, andere nutzen die Zeit, um sich kurz für ein Nickerchen zurückzuziehen, bevor der nächste Programmpunkt anstand.

„Mama, Mama, die beiden da, die noch an der Tafel sitzen geblieben sind, die sind ganz hochgestellt, oder?“
„Das stimmt, es sind Prinz Anselm und Prinzessin Celia von Thal, die Kinder von Fürst Bartha von Thal. Aber das weiß Du doch – Du warst bei ihrer gemeinsamen Ankunft dabei und vorher hat der Prinz erst das Grußwort des Fürsten verlesen…“
„Ach es wurde so viel geredet…“
„Ja, aber hier einmal zu Recht. Die beiden sind auch schon sehr lange mit der Familie Hautzensteyn bekannt und schätzen einerseits das Hochland, haben andererseits aber auch ähnliche Interessen wie der Baron, zum Beispiel für Geschichten und Gedichte. Und ich glaube, sie finden es gar nicht so schlecht, dass man ihren Rang zwar auch hier kennt und respektiert, aber alles etwas zwangloser zugeht als zu mancher anderen Gelegenheit. Vermutlich ist das eine willkommene Entspannung.“
„Schau mal, da drüben geht es aber gar nicht entspannt zu! Ich glaube, der eine hat gerade jemanden schlimm beleidigt, also der andere sieht ganz beleidigt aus.. aber er sagt gar nichts, geht nur weg, und der eine lächelt so komisch… was ist da los?“
„Der andere, er schickt sich drein – obzwar das Herz in Hitze – und Giselher, der lächelt fein – das macht die rechte Spitze!“
„Was?“
„Nichts… das ist der Kanzler des Fürsten, Giselher von Mühlenheim und sein Lächeln ist eher maliziös… aber er ist Fürst Leomar offenbar sehr nützlich.“
„Und das Gedicht?“
„Das ist viel länger und bezieht sich eigentlich auf Vogt Rasekorn… die beiden sind ganz unterschiedlich, aber haben wohl doch einige vergleichbare Züge… egal. Der Kanzler wird dir nicht tun, aber geh ihm besser aus dem Weg.“

Redonstag: Anrufung und Segen

Die Gesellschaft wurde, soweit erforderlich wieder zusammengerufen, diesmal von den Druidh und Sagai des Landes, also einerseits den Geweihten, die sich um das Hochland selbst und seine Verbindungen zur Anderswelt kümmern, andererseits den auch im Tiefland bekannten Geweihten der vier Götter. Sie führten die Gäste in die Nähe eines Cairns, einer Verbindung zur Anderswelt. Der weitere Ablauf war denjenigen, die bereits an der ersten Feier teilgenommen hatten, im Wesentlichen bekannt. Der dem Cairn zugehörige Druidh rief zunächst das Land an. Dann sprach er einen Segen über den Ort, dann die anderen Druidh und Sagai über das Lehen, Luchnar, das Hochland, Drachenhain und ganz Heligonia. Den Segensspruch für das Hochland sprach zur Überraschung mancher Foranan McDonough, der Baron von Flaitney, von Rotmark nur zwei Wegstunden entfernt. Die Segen für Drachenhain und Heligonia wurden von tiefländischen Gästen gesprochen Schließlich wurden gute Botschaften zu den Sternen und mit Behutsamkeit in die Anderswelt gesandt. Zuletzt trat Eylwine von Kastelmond, die neue Ceart Caraid vor und sprach wie im Herbst, nur diesmal auf heligonisch den Satz: „Und so rufe ich Dich, unser Land und Teil unseres Landes, bei Deinem neuen Namen: Artir!“ Viermal rief sie den Namen und viermal wiederholte ihn die Menge.
Ein leichter Wind kam auf, strich über das Feld und legte sich dann wieder. Druidh und Sagai, die kniend das Haupt geneigt hatten, erhoben sich, lösten die zum Land gewobene Verbindung und führten alle wieder zurück nach Rotmark.

„Mama, Mama, wieso hat Baron Foranan bei der Götterandacht geredet… das waren doch nur Geweihte?
„Hast Du seinen Stab nicht gesehen? Foranan McDonough ist nicht nur Baron von Flaitney, sondern auch Xurl-Geweihter. Eine sehr glückliche Verbindung, das ist gut für das Hochland und zeigt, dass die Götter über uns wachen. Und natürlich auch ein ganz alter Freund von uns.“
„Und die Frau, die jetzt neben ihm läuft?“
„Roxana von Beraht, Baronin von Welzen. Sie ist dem Hochland auch schon sehr lange freundschaftlich verbunden. Ein weiterer lebender Beweis dafür, dass das Land die aufrechten Tiefländer gerne annimmt. Und andere sind heute nicht hier.“
„Aber der Mühlenherr…“
„Ohne jemand Bestimmtes zu meinen…vielleicht fast keine.“

Redonstag: Feier

Die Festgesellschaft wanderte den kurzen Weg nach Rotmark zurück. Die Feuerstelle, um die die Zeltstadt stand, war neu mit Holz beschichtet worden und es loderten bereits helle Flammen. Eylwine von Kastelmond hielt eine weitere Rede mit dem Versprechen, dies sei nun wirklich die letzte. Sie kündigte an, dass nach einer Verschnaufpause, in der jeder ausruhen oder sich richten könne, der späte Nachmittag nun auf dem Weg in eine weitere Feier sei. Für diese gäbe es keine Zeitpläne, keine offiziellen Ansprachen und eigentlich überhaupt keine Regeln außer der einen, dass der Abend wie die ganzen Feierlichkeiten im Sinne von Versöhnung und Frieden stehen sollten. Ansonsten möge jeder eine fröhliche Zeit nach seiner Art und seinen Wünschen verbringen. Der Applaus war größer als bei allen Reden davor.
Es wurde wieder eine Vielzahl verschiedener Speisen herbeigebracht und auf große Tische gestellt, dazu Fässer und Schläuche, Krüge, Karaffen und Flaschen mit Getränken aller Art. Auf einer Tafel lagen Ballen mit dem verbliebenen Rest der Jahresernte an Eithill, dem seltenen und kostbaren luchnischen Pfeifentabak. Jeder durfte sich frei bedienen, es gab weder eine Reihenfolge der Speisen noch eine Sitzordnung. Nur im Zelt der Adligen wurde aufgetragen, aber auch von dort begaben sich im Lauf des Abends immer mehr Gäste unter den Rest der Feiernden, ans Feuer, zu den Musikanten, die nach Lust und Laune hier und da sangen und spielten oder auch nicht. So glitt der Abend in die Nacht und die Feiernden wurde weniger. Doch selbst als der Morgen graute, weigerte sich ein Tisch besonders Standhafter immer noch, die Feier zu beenden.

„Mama, Mama, die Frauen da reden ganz komische Dinge… Rambazamba, Klimbim, Kumpania, Polia, Münzia, Liebestrankia…und eine hat einen Kater dabei… kommen die auch aus Sedomee?“
„Soweit ich weiß, ja, an der Grenze zu Darian… ich bin mir nicht ganz sicher…es sind jedenfalls Srenghewar, Dhrabani Nadyma und Dalilah und ich glaube, sie wollen hier Feier und Geschäft verbinden…ist ja auch in Ordnung…“
„Warum sind denn so viele von da ganz weit weg hier? Die sind doch ganz anders als wir!“
„Naja einerseits schon – andererseits gibt es auch Gemeinsamkeiten… der Drang nach Freiheit, der Wille, das Leben auch zu genießen, das macht fast alle Unterschiede unwichtig. Und außerdem wissen die Leute aus Darian und Sedomee sehr genau, was ein Konflikt zwischen Geschwistern bedeutet.“
„Oh Mama, das ist unheimlich – Du weißt wirklich alles!“
„Zum Glück nicht. Aber die Gäste hier zu kennen, das gehört zu meinem Beruf, Sohn. Du kannst einer Frau nicht verübeln, dass sie in ihrem Beruf arbeitet.
Oh warte, da hinten steht Tallrim Stabschwinger mit ein paar seiner Angaheymer Jungs und Mädels!“
„Die Angaheymer sind auch Hochländer, stimmts?“
„Natürlich – manche nennen sie die ursprünglichsten Hochländer – aber letztlich ist das kein Wettbewerb. Anders als bei uns oder in Flaitney oder Gaeltacht kann man da nur ein- aber nicht durchreisen, weshalb nur Leute dort hinkommen, die auch dorthin wollen. Und dürfen. Tallrim ist auch ein ganz alter Freund… auch in schwierigen Zeiten… und ich glaube, er macht sich gerade an einem ganz alten Fässchen zu schaffen… der Baron ist auch schon da… ich denke, wir müssen jetzt da mal rüberschauen.“
„Gibt`s da was zu trinken?“
„Für Dich nicht, Sohn. Für Mama schon!“

Heliostag: Ausklang

Während die letzten Übernächtigten noch ihre Körper auf ein Lager schleppten oder den Kopf einfach auf den Tisch sinken ließen, hatten die ersten Gäste ihr Gepäck schon gerichtet. Nach und verließen Kutschen, Reiter und einige Karren Rotmark und schließlich das Hochland. Vor allem Luchner und einige Flaitneyer Gäste machten sich auch zu Fuß auf den Heimweg.
Manche Gäste hatten sich aber bereits zuvor oder auch spontan entschieden, noch einige Tage zu bleiben, um andere Ecken Luchnars zu entdecken oder mehr Zeit mit lange nicht gesehenen Freunden zu verbringen.
Essensreste und Geschirr waren noch in der Nacht oder am nächsten Tag abgeräumt worden, mit dem Rest der Zeltstadt ließen sich die Luchner aber Zeit. Das Wetter hielt und so konnte man noch manchen Tag Rotmarker mit letzten verbliebenen Besuchern in den nun sehr geräumigen Zelten lümmeln sehen, wie sie miteinander redeten und die haltbaren Übrigbleibsel der Festmahlzeiten vertilgten.
Das Land kam wieder zur Ruhe – zu einer Ruhe, die gerne durch Feste, aber nicht mehr durch Zwiste im Hochland oder mit dem Tiefland durchbrochen werden möge!

„Mama, Mama, diese Gelehrte ist mit unserer Sagai, den Leitern der Heilerschule und Liolyn MadGlas in die Berge abgehauen!“
„Was?“
„Ich hab sie gesehen, heute früh, die aus… Escalada?“
„Du meinst Apia von Lauterstein, von der Akademica Botanica in Escandra? Die wird mit den anderen auf Kräutersuche gehen. Sie hat mir schon vor drei Tagen erzählt, dass sie die Pflanzen des Hochenlandes eigentlich am meisten interessieren.“
„Wolfsfurz?“
„Na, das ist ja eher ein Küchenkraut… Vielleicht GorMos, also Koboldmoos? Eithil? Gwarskibor? Wer weiß? Das ist jetzt eher nicht mein Beruf.“
„Nein. Dein Beruf ist schreiben!“
„Auch…“
„Schreibst Du jetzt dem Baron seinen Text? Und für den Heliosboten?“
“Nein. Mein Beruf ist heute Kopfweh. Heute schreibe ich gar nichts mehr.“

Nachwort

Wie nach dem Fest zur Ausrufung des Lehens Artir möchte ich mir wieder einige Anmerkungen erlauben. Zur langen Dauer bis zur Lehensausrufung und warum sie sinnvoll war, habe ich im letzten Text genug geschrieben. Diesmal geht es mir um den Ansatz der Feier selbst; zunächst aber um die Herangehensweise an diesen Botenartikel.
Es handelte sich um eine Feier zum gleichen Thema wie die erste, es wurden zum Teil die fast gleichen Reden gehalten, es wurden die fast die gleichen Speisen und Tränke gereicht mir nur wenig Anpassung an tiefländischen Gepflogenheiten und auch an kulturellen Freuden können wir Gästen kaum anderes bieten als uns selbst. Ein Hauptunterschied war die Sprache. Die erste Feier fand weitgehend auf Luchnisch, die zweite weitgehend auf Heligonisch statt. Dies lässt sich in einem Artikel im Heliosboten aber kaum abbilden, außer dass mich ich in diesem zweiten Text bei Ortsnamen und Spezialbezeichnungen weitgehend auf die heligonischen Begriffe beschränkt habe.
Deshalb habe ich versucht, den zweiten Hauptunterschied, der letztlich den ersten bedingte, nämliche die vielen Gäste aus dem Tiefland anders herauszuarbeiten. Mein Sohn hat mir ständig Fragen zu diesen Gästen gestellt, die ich zu den Zwischentexten verarbeitet habe. Ich habe dabei etwas pointiert, gerafft, umgestellt und aus dem Luchnischen übersetzt, aber nichts erfunden. Das Hauptaugenmerk sollte sein: Dies war eine luchnische und gesamtheligonische Feier.
Diese gesamtheligonische Feier steht gleich der ersten für das neue Lehen und die Aussöhnung der luchnischen Hoch- und Tiefländer. Sie weist aber darüber hinaus auf die Aussöhnung zwischen Hoch- und Tiefland insgesamt, die schon unter Graf Halmar ihren Anfang nahm und nach gefährlichen Zeiten unter Fürst Leomar gefestigt wurde. Sie steht für Freundschaften, die über Drachenhain hinaus in und mit ganz Heligonia entstanden sind – Verbindungen, die weitere Konflikte für Luchnar, Hochland, Drachenhain, Heligonia verhindern können. Auch wenn es nur am Rande zur Sprache kam, hoffe ich natürlich, dass ein Funke dieses Ansatzes sogar über Heligonia hinaus strahlen kann, ohne dass ich damit unsere letztlich doch regionale Versöhnungsfeier überfrachten will.
Um den Bogen zurück nach Artir zu schlagen: Diese Versöhnung gilt natürlich auch nach innen, nach ganz innen. Die Feier steht auch für den sorgsamen Umgang und anhaltenden Frieden mit dem Land selbst und seiner anderen Seite – Somniare, der Anderswelt. Ohne die immer wieder neue Versöhnung mit der Anderswelt hätte Artir auch nicht entstehen können.
Letztlich möge man mir verzeihen, wenn dieser Artikel sehr lang geworden ist. Aber er steht für ein Kapitel der Geschichte Luchnars, das vor hundert Jahren mit dem Dòrchiu begann und vor allem für ein konfliktreiches Unterkapitel, das sich seit meiner Kindheit immer mehr zuspitzte und das jetzt ein gutes und hoffentlich bleibendes Ende gefunden hat.

Auf Artir!

Rebenhain – Planungen für die kommenden Monde

Aus einem Hoftag in Rebenhain drangen Neuigkeiten an unsere Ohren. Sofort mit Winterende soll der rebenhainer Haufen, der in Stueren steht, durch einen, der den Winter über in Rebenhain war, ausgetauscht werden. Sobald es die Witterung zulässt, soll sich die Truppe auf den Weg machen. Einige Zeit soll zusammen in Stueren verbracht, geübt und auch gefeiert werden, während der Baron von Rebenhain mit den Feldkommandeuren der Allianz Besprechungen abhalten will. Kurz zu Stueren: Dort scheint alles ruhig zu sein, die Stuerener haben sich in das von ihnen sogenannte Kernland zurückgezogen, die Borharcôner in Freiheit sind nun wertvolle Verbündete des drachenhainisch-ostarischen Allianzheeres und decken die nördliche Flanke ab. Alle in der Allianz Verbündeten haben die Stärke ihrer Kräfte in Stueren längst reduziert und die Tätigkeit beschränkt sich hauptsächlich auf Patrouillentätigkeit. Es scheint ruhig. Ich schreibe, es scheint, denn gerade unter den Spähern hat sich ein gewisses Gemunkel über indifferente Vorkommnisse breit gemacht. Leider weiß man darüber nichts Genaues und es scheint auch aktuell nicht so, dass wieder eine heiße Phase des Krieges bevorsteht.
Zurück zum Bericht aus Rebenhain. Nach der Zeit in Stueren wird das abgelöste Kontingent zurück nach Rebenhain marschieren, während der Baron mit seiner engsten Entourage weiter nach Kratorpolitanien reisen wird, um auch dort nach dem Rechten zu sehen. Das Interessanteste von dort scheint übrigens zu sein, dass die Pflasterung der Straße im vergangenen Jahr weitere fünfzehn Schritte vorangegangen ist.

Wer soll da überhaupt wohnen?

Es gibt ja jetzt ein neues Tiefländer-Lehen in Luchnar und wir und die MadRuadh haben einen Teils unseres Landes abtreten müssen , so dass auf jeden gleich viel kommt wie auf einen echten Hochländer und das ist ganz schön viel. Ich hab mich jetzt mal ein bisschen umgehört und gerechnet und frage mich: Ist das überhaupt gerecht ausgerechnet?
Also: Vor ein paar Jahren gab es so 120, 130 von ihnen, vielleicht 40 oder 45 in Esclarmond, 25 oder 30 in Turlach und Tuachall, 20 auf der Feste Hautzensteyn und 15 in Soilach. Ein paar wenige sind im Krieg mit Fürst Waldemar geblieben und Vogt Eylhardt hat gut drei Handvoll aus Esclarmond und eine Handvoll aus Turlach und Tuachall mitgenommen. Dann kommen noch manche nicht aus dem Tiefland zurück wie Samuel und Lukas von Turlach und so weiter – also was ich meine ist: In Esclarmond, Turlach, Tuachall und auf der Feste leben jeweils zwanzig von ihnen oder wenig mehr, in Soilach vielleicht fünfzehn. Von der Feste Hautzensteyn und von Soilach, wo Vogt Gisrod ja eine von uns geheiratet hat wird kaum einer kommen. Aus Turlach und Tuachall werden die Vogtsfamilien auch nicht kommen und ein paar von Eylhardts Brut bleiben bestimmt in der Esclarwehr, um uns zu ärgern, und ein paar Helfer, die nicht mit dem Vogt verwandt sind, werden noch im warmen Nest bleiben. Es bleiben also vielleicht 35 Leute übrig, oder wenn man die auf Esclarmond dazurechnet, deren neues Dorf liegt ja nur ein paar Meilen weg und die müssen sicher mithelfen, knapp 50, wenn man großzügig rechnet.
Jetzt mal ehrlich, auch die Tiefländer: Das ist zu wenig. Wie sollen die ein Lehen gründen? Wie sollen die die Vogtssitze ernähren? Die sollen ja für alle aufkommen, auch für die, die in den Vogtshäusern nichts arbeiten, was man essen kann und dann haben sie noch nicht die allerbesten Gebiete, weder für Schafe noch für Korn und Gemüse.
Das kann gar nicht klappen und wir werdens bezahlen müssen.

 

Ein schwarzer Tag für das Haus derer von Rebenhain

Der 5. Tag des 2. Helios wird dem Baron von Rebenhain sicher noch lange unauslöschlich als einer der schwärzesten Tage in Erinnerung bleiben: Eine größere Gruppe aus dem Haushalt des Barons kehrte durch die Gassen von Pogelsweiler in die Freudenfeste zurück, als sie kurz vor ihrem Ziel plötzlich aus dem Hinterhalt überfallen wurde. Trotz tapferer Gegenwehr war das Durcheinander in den engen Straßen groß, zumal auch viel gemeines Volk unterwegs war. So konnten die Angreifer zu den Kindern von Baron Krator und Baronin Samira durch dringen, die sich in dieser Gruppe befanden. Sie schnappten sich den kleinen Crispianus Perigrin von Rebenhain und flohen. Neben Wut und Entsetzen hinterließen sie mehrere Tote und Verletzte: 5 Rebenhainer Wachen, die Borharcônerin Kelene , Beschützerin des Borharcônerkindes Meorte, und der Leomarker Elfenkrieger Fenair, welcher seit den Ereignissen auf der Burg Hadriansblick als ständiger Leibwächter die Kinder des Barons beschützte, zahlten mit ihrem Leben, weitere Wachen und die Leomarkerin Miríel wurden schwer verwundet.
Einer der Angreifer konnte lebend gefasst werden, im Verhör war jedoch nur zu erfahren, dass der Angriff von Stuerener Seite ausging. Es ist unklar, ob der Sohn des Barons tatsächlich das eigentliche Opfer sein sollte, oder ob der Angriff vielmehr ein Versuch war, den Borharcônerjungen Meorte, welcher sich ebenfalls in der Gruppe befand, in Stuerener Hände zu bekommen.
Trotz sofortiger Suche nach den feigen Entführern gelang diesen die Flucht Richtung Norden. Jedoch verlor sich deren Spur noch vor der Ostarischen Grenze. Mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Schiffen und Booten wurde der Jolborn abgeriegelt um ein Übersetzen zu verhindern, es wurden Boten an Fürst Leomar von Drachenhain, die Ostarischen Bündnispartner und an Baronin Samira, die sich derzeit in der Baronie Leomark aufhält, geschickt, und weitere Suchmannschaften ausgesandt.
Es bleibt nun zu hoffen, dass diese Maßnahmen zum gewünschten Ziel führen und der kleine Crispianus Perigrin schnell und sicher wieder nach Hause zurückkehren kann.

Feuer und anderes Übel

Nach dem Frühjahrshochwasser des Jolborn wurden in Kratorpolitanien und in der Leomark Heerlager eingerichtet. Soldaten, Verpflegung und Material wurden in den Häfen eingeschifft und nach Norden gebracht. In den beiden nördlichen Ländereien wurden eine große Anzahl von Booten und Flößen hergestellt und für das Übersetzten bereit gemacht.
Die Vorbereitungen für die Invasion waren beinahe abgeschlossen, als eine unbekannte Krankheit in mehreren Heerlagern um sich griff. Die Heiler bekammen nach einiger Zeit die Seuche in den Griff. Als die Möglichkeit für den Angriff wieder in greifbare Nähe rückte, kam den Jolborn hinab neues Übel von Stuerener Seite auf die Heligonier zu: Eine große Anzahl Brander drohte die Boote und Flöße zu zerstören, die für das Übersetzten des Heeres benötigt wurden…
Die Bilanz der Brander-Nacht war für die Heligonische Seite ernüchternd: Trotz großen Einsatzes und vehementer Gegenwehr wurde insbesondere im Kratorpolitanischen Bereich ein Großteil der Boote und Flöße vernichtet. Eine Invasion musste weiter verschoben werden, bis neue Übersetzungsmöglichkeiten geschaffen worden sein würden.

Eine zweite Expedition in das Herzogtum Stueren

Der Tod Olidir Dämmertraums traf uns alle tief. Vor allem da vollkommen unklar war, was sein Selbst zerstört und ihn letztlich umgebracht hatte. Dass Elfen im Kampf fallen, das kommt in diesen Zeiten leider allzu häufig vor. Dass einer unserer Brüder aber sein Selbst verliert, ohne erkennbare äußere Verletzungen, das hatte man noch nie gehört. Die Bestattungszeremonie des Olidir Dämmertraums war tief bewegend und von so viel Trauer geprägt, dass man meinen konnte, selbst der Wind, das Wasser, die Erde und die Sonne wollten nicht aufhören zu klagen.
Nur wenige Tage später berief Baronin Samira den Rat der Weisen ein. Nach dem Bericht der Kundschafter, der uns leider nur wenige Antworten auf den Tod Olidirs gab, wurde lange und ausfürlich beraten, wie wir nun weiter vorgehen sollten.
Baronin Samira beschloss letztlich, einen zweiten Trupp los zu schicken, um dieser seltsamen Senke und dieser noch viel seltsameren Präsenz auf den Grund zu gehen. Und wenn irgend möglich erhofften wir uns Antworten auf die Frage nach Olidirs Tod. Um besser gerüstet zu sein, wurden einige Gelehrte, besonders zu nennen die Itsui Teleria und der Heiler Mallion ausgewählt. Zu meinem eigenen Erstaunen wurde ich ebenfalls von der Baronin in die Gruppe berufen.
Wir machten uns also auf und nahmen, den Erzählungen der anderen folgend, den Weg ins Herzogtum Stueren. Ungefähr zwei Tagesreisen westlich des Jolborn trafen wir dann auf die Senke. Zunächst sahen wir lediglich eine Senke, bewachsen mit hohem Steppengras und einer sonderlich anmutenden Steinformation in der Mitte. Doch wie die Gruppe vor uns auch schon spürten wir just in dem Moment als wir die Senke betraten die Anwesenheit einer Präsenz, die sich mit menschlichen Worten kaum beschreiben lässt. Die Istui Teleria versuchte vorsichtig Kontakt mit dieser Präsenz aufzunehmen. Konzentriert und angespannt saß sie bei den Steinen, während wir anderen ein wenig besorgt einen gewissen Abstand zu ihr wahrten. Je länger sie dort saß, desto heftiger begann der Wind zu wehen, ja wuchs sich zu einem regelrechten Sturm aus. Aus den Erzählungen der ersten Truppe waren wir durchaus vorgewarnt. Je mehr der Sturm zunahm umso stärker machte sich das nagende Gefühl drohender Gefahr unter uns breit. Da Telerias Versuch mit der Präsenz Kontakt aufzunehmen bislang nicht von Erfolg gekrönt war und da wir uns nur allzu gut an den Leichnam Olidirs erinnerten, beschlossen wir, dass die Gefahr zu groß wurde und zwangen Teleria, aufzuhören. Und kaum dass wir die Senke verlassen hatten, legte sich der Sturm. Teleria jedoch war sehr geschwächt. In einem fort murmelte sie die uns allen nur allzu gut bekannten Worte „Fisch und Fleisch unter einem Dach, das haben wir schon einmal gesehen. Neuer Streit, alter Krieg, die Erde ist durstig, das haben wir schon einmal gesehen. Faust wider Faust, Finger dazu, einen wischt der Regen fort, das haben wir schon einmal gesehen. Die Zeichen der Vergeltung, könnt Ihr sie erkennen? Dies alles mussten wir erblicken, wollen die Augen nun schließen für immerdar.“ Nein, diese Worte die wir damals am Fluss hörten, als wir dem Wind lauschten; diese Worte werden wir wohl nie vergessen. Auf unsere ungestümen Fragen hin murmelte Teleria nur immer wieder „Es war keine Absicht.“ Und dann brach sie zusammen. Wir konnten sie nicht mehr erreichen. Auch der Heiler Mallion, der uns auf unserer Reise begleitete konnte ihr nicht helfen. Und wieder konnten wir keine äußeren Verwundungen erkennen.
Hastig traten wir den langen Heimweg nach Xurl-Salenia an. Immer in der Hoffnung, die dortigen Itsui und Heiler könnten Teleria besser helfen als wir es vermochten. Viel langsamer als uns lieb war kamen wir voran, doch nach drei langen Tagen erreichten wir das Ufer des Jolborn. In der ganzen Zeit kam Teleria nicht ein einziges Mal zu sich. Ihr Körper hatte jegliche Spannung verloren, ihre Augen blickten in weite Ferne an einen Ort, den wohl keiner von uns je finden kann. Es schien, als sei sie nicht mehr Teil dieser Welt. Wir spürten nicht einmal ihre Anwesenheit und wäre die Trage nicht gewesen, man hätte meinen können sie sei gar nicht da.
Mit bangem Warten verbrachten wir die Tage in Xurl-Salenia. Die Heiler und Istui gaben sich alle Mühe. Doch all ihre Rituale konnten Teleria nicht zurück holen. Ihr Geist ist vollkommen zerrüttet und es scheint, als habe sie jeden Kontakt zu Wind, Wasser, Erde und Sonne verloren. Wir können ihr Selbst nicht mehr spüren.
Hiermit endet mein Bericht. Was auch immer dort im Herzogtum Stueren in der Senke mit dem hohen Steppengras und der sonderlich anmutenden Steinformation ist, welcher Natur auch immer diese Präsenz ist, sie ist mächtig und wir können sie nicht begreifen.

Erkundungen im Norden

Seit den Saarkamonden finden vom Norden Heligonias, genauer gesagt von der Drachenhainer Baronie Leomark aus immer wieder Erkundungstrupps den Weg über die Westufer des Jolborn hinaus in das Gebiet des Herzogtums Stueren. Häufig ist zu beobachten, dass Mitglieder der Borharcôner-Gruppe, die sich ebenfalls in der Leomark angesiedelt hat, diese Trupps begleiten.
Vor Kurzem ereignete sich in den Graslanden Dracconias Merkwürdiges: Eine Gruppe Leomarker Waldläufer war zwei Tage westlich des Jolborn auf Erkundung unterwegs, als sich völlig unvermittelt eine Senke von annähernd 30 Schritten Durchmessern vor ihren Füßen auftat. Die Waldläufer erkundeten die Senke und die seltsame Steinformation in ihrer Mitte. Einige der Leomarker hatten ein sehr seltsames Gefühl beim Betreten dieser Senke, welches sie aber nicht genauer benennen konnten. Olidir Dämmertraum war fest davon überzeugt Stimmen im Wind zu hören. „Ich könnte sie verstehen, ich bin mir sicher,“ sagte er, und setzte sich zu den Steinen und versenkte sich in sich selbst, in den Wind, das Wasser, die Erde und die Sonne. Die anderen beobachteten ihn angespannt. Olidir schien sehr angespannt. Nach langer Zeit nahm der Wind, der bis dahin nur ein Flüstern in den langen Grashalmen gewesen war, an Stärke zu. Er wehte immer heftiger und in der Gruppe der Waldläufer machte sich das Gefühl von Unwohlsein breit – Gefahr? Olidir wurde aufgefordert seine Bemühungen zu beenden, damit man diesen Ort verlassen könnte, doch dieser weigerte sich und sprach wie im Fieber: „Ich bin gleich am Ziel, kann die Stimmen fast hören. Hört ihr sie den nicht? Könnt ihr es nicht spüren?“ Er war schweißüberströmt und bleich. Der Wind war mittlerweile zu einem Sturm herangewachsen. Olidir wurde von den anderen seines Trupps gedrängt aufzuhören, wegzugehen. Er weigerte sich, doch dann brach er plötzlich zusammen. Seine Gefährten trugen ihn aus der Senke hinaus. Der Wind legte sich wieder so plötzlich wie er sich erhoben hatte. Da die Waldläufer keinen Heiler dabei hatten, konnten sie Olidir nur notdürftig versorgen, insbesondere da sein Körper keinerlei Verletzung aufwies. Sie konnten sein Selbst nicht mehr spüren und erreichen und trotz aller Bemühungen starb Olidir am Rande dieser seltsamen Senke. Die Waldläufer machten sich nach kurzer Beratung schnellstmöglich in Richtung Osten auf, um in der Leomark von den Begebenheiten zu berichten.

Auszug aus dem Tagebuch von Gregor von Trewerschwing, Knappe des Ritters Samuel von Turlach 29. Tag des 1.Xurl im Jahre 36 n.A.III

Wer hätte das gedacht – kaum ein Dutzend Wochen bin ich in den Diensten meines Herrn von Turlach, schon steht eine Expedition von hoher Bedeutung und großer Gefahr an. Nach Norden soll es gehen, ins Umland von Kratorpolis auf die Grenzburg Hadriansblick, die auf der anderen Seite des Flusses, also nicht mehr in Heligonia selbst, liegt! Bereits vor einiger Zeit wurde eine erste Truppe unter Ritter Hadrian von Sarras dorthin geschickt, der die bis dahin als Ruine dastehenden Gemäuer als Lager für Drachenhain aufzubauen begann. Der Fürst schickt nun diese Expedition aus, um die Grenzburg weiter aufzubauen, das Land zu sichern und schließlich mit den Bilchländern zu verhandeln. Diese Bilchländer, ich weiß nicht, was ich von ihnen halten soll: es sind Fremde und sie sollen in dieser Gegend leben – ich hoffe sie meinen es besser mit uns als die Stuerener, diese feigen Feinde des Fürstentums.

1. Tag des 2.Xurl im Jahre 36 n.A.III
Der Fürst persönlich hat uns, die Expedition „Bilchland“ auf der Drachentrutz verabschiedet. Nun geht es also los, es wird eine weite Reise sein.

13. Tag des 3.Xurl im Jahre 36 n.A.III
Von Störenweiler ging es tagelang auf einem Lastkahn flussaufwärts bis nach Kratorpolis. Von dort geht es nun weiter zu Fuß durch sumpfiges Gelände. Einen Tagesmarsch, so heißt es, haben wir noch vor uns. Die Stimmung ist gespannt, schließlich betreten wir fremde Gefilde, aber gut – endlich ist die Untätigkeit vorbei!

14. Tag des 3. Xurl im Jahre 36 n.A.III
Wir haben Hadriansblick erreicht! Doch nicht ohne Zwischenfall: In der Nacht waren wir unterwegs, hatten schon Lichter der Burg gesehen, da trafen wir auf dem Wege zwei bewaffnete Männer, in blauen Waffenröcken gekleidet und schwer gerüstet. Sie wollten uns die Passage verwehren, sagten, ihr Herr – der blaue Wächter – erlaube dies nicht. Es kam zu einer kurzen Diskussion und dann, ohne Vorwarnung, zum Kampf: ein Hinterhalt! Aus den Büschen kamen noch weitere von ihnen hervorgeprescht und griffen uns an. Doch der Trupp verteidigte sich tapfer und schlug den Feind in die Flucht. Sie schienen gewusst zu haben, wann wir kommen und wer wir sind, hörte ich doch den Ruf „Da sind sie, auf die Ritter zuerst!“. Ohne zu verweilen haben wir schnell die letzten Meter hinter uns gebracht und die schützende Burg erreicht. Doch es war nur ein kurzes Gefühl der Erleichterung – kaum trat ich durch das Tor lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich weiß nicht was es ist, aber irgendetwas stimmt hier nicht.

Die Besatzung der Burg sagt, die ganze Feste stünde unter dauernder Beobachtung der Bilchländer. Vielleicht ist es das, was mich so irritiert? Stuerener hat die Burgbesatzung aber noch keine gesehen, dass kann uns nur Recht sein. Doch wer waren dann die Männer, die uns angriffen?

Am Abend näherte sich ein primitives Weib – offenbar eine Bilchländerin – der Burg, mit Fellen bekleidet und mit Tierknochen geschmückt. Sie lud uns – in unserer Sprache, wenn auch gebrochen – zur Unterredung mit ihresgleichen in den Wald, den auf die Burg zu kommen lehnen die Bilchländer ab. Als sie anwesende Kinder der Handwerker sah sprach sie mit diesen und deren Mütter und gab ihnen einen Fruchtstein mit den Worten, dass dies ein Geschenk sei, welches über den Winter getrocknet und im Frühjahr ins Essen gerieben die Kinder zu starken Frauen und Männern machen werde. Ein gut gemeintes Geschenk, doch ob man diesem Weib vertrauen kann?
Wir machten uns, von der Frau geführt, nach kurzer Vorbereitung zum Treffen mit den Bilchländern auf, schließlich ist das der Zweck unserer Anwesenheit. Dabei kamen wir an einem schrecklichen Ort vorbei den sie einen „Warnplatz“ nennen: ein Platz, an dem sie die Überreste der von ihnen besiegten Feinde als Warnung belassen. Wir sollen also mit Menschen verhandeln, die Leichen zur Abschreckung auf Pfähle stecken? Ich will es nicht glauben …

Die Unterredung mit den Bilchländern war verwirrend. Sie sprechen unsere Sprache nur schlecht und verwenden Redewendungen, die wir nicht kennen. Sie zeigten sich nur bedingt interessiert an weiteren Verhandlungen, waren sehr zurückhaltend. Man werde einen Boten schicken, wenn man an weiteren Verhandlungen interessiert sei, so ihre lakonisches Versprechen. Ich weiß nicht, ob dies nun ein Erfolg war – immerhin haben wir sie getroffen. Aber wie es weitergehen soll bleibt unbestimmt.
Doch anderes berichteten sie uns, was mir im Moment mehr Sorge macht als die Verhandlungen. Dass die Burg ein verfluchter Ort sei, berichteten sie, und dass ein Reinigungsritual nach den Maßgaben ihrer Schamanin – das Weib das uns in der Burg kontaktierte – nötig sei um zu überleben, auch wenn dieses Ritual nur für kurze Zeit helfen würde. Und als wäre dies nicht genug: noch vor Mitternacht solle dieses Ritual vollbracht sein. Ich frage mich erneut: kann man diesen Bilchländern trauen? Oder wollen sie uns in eine blutige Fallen locken mit ihrer Zauberei?
Als wir gingen fiel mir auf, dass einzelne der Bilchländer immer wieder auf das Schwert meines Herren – das Drachenhainer Schwert, die Insignie des Schwertführers – deuteten und darüber tuschelten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihnen die Bedeutung der Insignie bekannt ist, doch scheinen auch sie die Erhabenheit Drachenhains zu spüren.

Zurück auf der Burg unterhielten sich die Herren, Ritter wie Gelehrte und Geweihte über die Angelegenheit des Fluches. Die Geweihten der Götter versicherten, dass dieser Fluch tatsächlich bestehe und kein Hirngespinst der Bilchländer sei. Aber ob das Reinigungsritual helfen würde oder die Sache noch schlimmer machen könnte? Es war keine einfache Entscheidung und schließlich blieb es jedem selbst überlassen, ob er das Ritual durchführen wollte oder nicht.
Mein Herr nahm an dem Ritual teil, und so taten es auch ich und viele andere. Zu einem fremden Gott – Andruch – sollten wir sprechen, uns reinigen und diesem Gott versichern, den Hass in uns zu besiegen und „dieser“ Schlacht fernzubleiben.

In den frühen Morgenstunde des 15. Tags des 3. Xurl im Jahre 36 n.A.III
Wir waren gerade in der Stube des Ritters Hadrian zusammengesessen als es geschah. Die Götter mögen uns gnädig sein!
Es muss zur Mitternachtsstunde gewesen sein, da machten sich die Bewohner der Burg, die schon vor uns da waren, und wie sich herausstellte all diejenigen, die sich nicht dem Ritual unterzogen hatten wie benebelt auf den Weg in den Hof. Sie unterbrachen plötzlich die Gespräche und Tätigkeiten, reagierten auf keine Ansprache. Auf dem Hof angelangt legten sie sich auf den Boden und waren da wie eingeschlafen. Doch dann bewegten sie sich wieder, vollführten Bewegungen, als ob sie etwas vom Boden aufschlürfen würden. Sie bewegten sich immer schneller und wilder und stießen dabei kehlige Rufe aus. Plötzlich hielten sie ein und erst dann schienen sie sich gegenseitig wahrzunehmen. Sie begrüßten sich, umarmten sich und versicherten sich immer wieder und immer lauter gegenseitig: „Ja, ich spüre es!“ Da rief einer von ihnen aus „Es sind neue Freunde eingetroffen!“ Sie stellten sich im Halbkreis auf und dann trat einer nach dem anderen von den unseren, die das Ritual nicht mitgemacht hatten vor, von zwei anderen festgehalten. Von einem dritten wurden sie gefragt: „Bruder, willst du mit uns sein?“ Und auf die erfolgende Bejahung sprach dieser erneut: „So nimm den Hass in dich auf!“, und schlug mit diesen Worten zu, so dass Blut spitze. Doch der Geschlagene wehrte sich nicht! Im Gegenteil: er reihte sich ein in Ansammlung der wie berauscht wirkenden Menschen. Dann erhob der Kerl, der die Frage stellte noch einmal das Wort: „Bald ist die Nacht gekommen, tut nun, was ihr tun müsst!“ Und dann ging ein jeder Handlungen nach, die für seinen Beruf typisch waren: Krieger übten, Schreiber schrieben, Schmiede schmiedeten … Doch alles mit hasserfüllter Wildheit, die sich mehr und mehr in rohe Ekstase wandelte. Schließlich trafen sich alle wieder im Hof im Halbkreis und der Sprecher sprach: „Geht nun schlafen meine Kinder, die Nacht in der die selben Sterne auf die Zinnen scheinen wird kommen.“ Da gingen die Verfluchten, denn das waren sie!, auseinander und erwachten erst dann langsam wieder aus dieser Benommenheit und schienen sich an nichts zu erinnern! Ich habe dies alles aus der Sicherheit des Haupthauses beobachtet, wo wir uns auf Geheiß der Herren in Sicherheit gebracht hatten. Ein grässlicher Vorfall und spätestens jetzt ist klar, dass wir in großer Gefahr sind! Doch: das uns gezeigte Ritual der Bilchländer war hilfreich und so können wir hoffen, dass sie uns wohl gesonnen sind. Ich trete nun meine Nachtwache an und dann, so die Götter wollen, werde ich noch ein wenig Ruhe finden in dieser Nacht.

15. Tag des 3. Xurl im Jahre 36 n.A.III
Die Herren haben beschlossen, zu verweilen und darauf zu warten, ob sich die Bilchländer wieder melden werden. Derweil soll der Fluch untersucht werden – schließlich sind unsere eigenen Männer davon befallen und das Reinigungsritual wird nur eine Weile vorhalten. Es gilt, diesen unheimlichen Fluch ein für alle mal zu brechen. Nur wie?

Am Vormittag trafen zwei recht abgehalftert aussehende Ritter in der Burg ein. Sie berichteten, sie seien aufgrund eines Vergehens von ihrem Lehnsherrn damit bestraft worden, sich über ein Jahr hinweg fern der Heimat je einmal in sieben Tagen in einem Zweikampf auf Gnade oder Ungnade mit fremden Rittern zu messen. Finden sie niemanden, der sie für ehrenhaft genug hält, so erzählten sie, so müssten sie gegeneinander zum Zweikampf auf Leben und Tod antreten. Dies wollten sie natürlich nicht, und nun befanden sie sich in der Notlage, dass sie bereits seit sechs Tagen keinen Gegner finden konnten, als sie nun diese Burg hier entdeckten. Deshalb baten sie die anwesenden Herren, sich in einem ehrenhaften Zweikampf mit ihnen zu messen. Die Herren diskutierten darüber – es kam ihnen natürlich seltsam vor, dass diese Ritter so mitten in der Einöde plötzlich auftauchen. Doch es wurde der Beschluss gefasst, diesen Ehrenmännern in ihrer Not zu helfen. So gab es zwei ehrenhafte Zweikämpfe und die Ritter konnten weiter ihres Weges ziehen. Ich bin froh, dass diesen Männern geholfen werden konnte.

Am Mittag tauchte ein weiterer seltsamer Kerl auf, ein zerlumpter Gesell, der sich neugierig umsehen wollte. Natürlich wurde er von den Wachen befragt, wer er sei und was sein Begehr wäre. Er stellt sich als „der Grenzgänger“ vor, was immer das bedeuten soll. Genauer äußerte er sich dazu nicht, und wenn, dann nur sehr geheimnisvoll. Aber er wusste von dem Fluch auf dieser Burg, schien sich aber nicht vor ihm zu fürchten. Und auch er wurde auf das Drachenhainer Schwert des Herrn von Turlach aufmerksam und fragte diesen in seiner seltsamen Art darüber aus – wie es hieße, woher es käme und was mein Herr damit zu tun gedenke. Ein seltsamer Kauz, doch da er keine Gefahr darstellt und mehr zu wissen scheint, haben die Herren beschlossen, ihn auf der Burg zu tolerieren.

Im Laufe des Tages wurden Hinweise gefunden, wie der Fluch zu brechen ist. Es gilt nun, dies vorzubereiten.

Ein Pfeil wurde über die Burgmauern hinweg in den Hof geschossen. An ihm war ein Zettel mit einer Botschaft befestigt. Doch es sind nur Bilder darauf zu sehen. Nachdem diese studiert wurden scheint es, als wolle irgendjemand uns mit dieser Nachricht vor einem Angriff warnen, der um die Mittagsstunde stattfinden soll. Wer warnt uns da? Und wer soll der Angreifer sein?
Der Angriff hat wie vorhergesagt um die Mittagsstunde stattgefunden! Ein Trupp von einem halben Dutzend, mit Bögen, Armbrüsten, Schild und Schwert bewaffnet. Sie waren weder wie die Männer in den blauen Waffenröcken noch wie die Bilchländer gekleidet. Doch ihr Angriff wurde schnell zurückgeschlagen, sie hatten zu keinem Zeitpunkt eine Chance, uns zu überwältigen. Schnell flohen sie in die umliegenden Wälder. Was soll ein solcher hoffnungsloser Angriff?

Nach dem Mittagsmahl ist erneut ein Pfeil mit einer Botschaft im Burghof gelandet. Der Schütze war nicht aufzufinden. Ein seltsames Bild, das eine Flussbiegung, ein Boot und einen Schatz zeigt. Wir sind uns nicht klar, was das bedeuten soll. Da es eine Flussbiegung am Fuße des Berges gibt, wird eine Gruppe ausgesandt, diese Sache zu untersuchen.

Mir ist schrecklich übel und die Feder zu führen fällt mir schwer. Ich bin von Bauchkrämpfen geplagt – so wie fast alle anderen Anwesenden! Jemand muss das Essen vergiftet haben, denn nur denen, die nichts zu Mittag aßen, geht es gut! Wir haben einen Feind in den eigenen Reihen!

Die ausgesandte Gruppe kommt von der Flussbiegung zurück. Es war dort nichts Außergewöhnliches zu finden, weshalb sie ihre Untersuchung beendeten.

Die Giftmischerin ist gefunden! Dank der Untersuchung anwesender Herren wurde sie geschnappt und verhört. Es war eine Frau, die die ganze Zeit Teil der Expedition war. Sie gab zu eine Stuerenerin zu sein, verriet aber sonst nichts über ihren Hintergrund. Es war kaum etwas aus ihr herauszubekommen – mit ihrer Enttarnung scheint sie nun keine Hoffnung zu besitzen, von ihrem Herrn verschont zu werden, so dass es nichts bringt ihr zu drohen. Wie mit ihr nun umzugehen ist wird beraten.

Am Nachmittag traf eine Gruppe Fremder auf der Burg ein. Mehrere waren verletzt. Sie erzählten, dass sie Flussschiffer seien, die von Flusspiraten angegriffen wurden und auf ihrer Flucht nun hier landeten. Doch schnell zeigte sich, dass diese Geschichte eine Lüge ist. Sie widersprachen sich und einige von ihnen wurden sogar dabei erwischt, wie sie versuchten, Eigentum des Burgvogtes zu stehlen. Daraufhin wurden die Fremden festgesetzt, ein paar von ihnen konnten leider entkommen. Seltsam, wie viele und welche Gestalten sich in dieser Gegend herumtreiben …

Um den Fluch zu brechen wird eine besondere Pflanze, ein Nachtlichtgewächs, benötigt. Es wird deshalb eine Truppe ausgesandt, diese zu finden.

Ein Händler tauchte am späten Nachmittag auf der Burg auf. Er sagte er handelt mit Kräutern und Pflanzen, die er in Betis an Alchimisten verkaufe. Zudem berichtete er, dass er eine Kundin habe, die dringend sogenannte „Kraftherznüsse“ benötigte, um ihre kränklichen Zwillinge zu stärken und dass diese oftmals im Besitz der Bilchländer seien, die sie ihm aber nicht verkaufen würden. Wie der Zufall will handelt es sich bei den Kraftherznüssen um eben jene Fruchtsteine, die die Schamanin bei unserer Ankunft den anwesenden Müttern für ihre Kinder als Geschenk gab. Als der Händler davon hörte wollte er diese sogleich erwerben und es entspann sich eine lebhafte Diskussion. Doch der Händler schien eher gierig zu sein, als dass er diesen angeblichen Zwillingen helfen wollte, und so entschloss man sich, ihm die Nüsse nicht zu verkaufen – schließlich handelt es sich ja auch um ein Geschenk der Schamanin. Daraufhin zog der Händler wieder von dannen.
Etwa zeitgleich mit dem Händler fand sich eine weitere Reisegruppe an den Burgtoren ein – und das war eine wahrlich seltsame Gesellschaft! Vier Bauern waren es, die sich in einem Streit um einen wirren Vorfall befanden, in dem des einen Hund bellte, der andere sich verletzte, weil sein Gaul durchging, der dritte unglücklich über den am Boden liegenden zweiten fiel und des vierten Kuh sich bei all dem Ungemach von der Weide machte. Nun erhofften sie sich von den anwesenden Gelehrten einen Schiedsspruch. Ich muss zugeben: zu sehr ermüdete mich diese Streiterei, so dass ich ihrem Ausgang nicht folgte. Doch sprachen die Gelehrten ein weises Urteil, in dem ein jeder seine Verantwortung tragen musste und sein Schaden aufgewogen wurde, so dass die Bauern guter Dinge wieder von dannen zogen. Zu betonen, dass dies eine wahrlich seltsame Begebenheit war erspare ich mir an dieser Stelle.

Die Truppe, die nach dem Nachtlichtgewächs ausgesandt wurde kehrte gerade zurück. Doch: angegriffen wurde sie bei ihrer Suche nach dem Gewächs! Es waren die blau berockten Männer, denen unsere Mannen entgegen standen. Sie konnten erneut geschlagen werden, doch knapp war es, so wird gesagt! Aber sie hatten Erfolg, die Pflanze ist gefunden! So kann man nun daran gehen, den Fluch zu brechen, denn in der Zwischenzeit haben die Gelehrten alles weitere vorbereitet. Ich fürchte es wird erneut ein seltsames Ritual werden und wieder wird zu fremden Gottheiten gesprochen werden.

Nachdem alle Vorbereitungen beendet waren ging es am Abend daran, den Fluch zu brechen. Seltsames, oh weh!, mussten wir tun, uns gegenseitig mit Schnüren aneinander halten, die Waffen niederlegen, Sprüche sprechen! Und dann, plötzlich, waren diese ganzen Geräusche zu hören, das war nicht von dieser Welt, das ist sicher! Mir wurde ganz schwindlig, alles verschwamm, der Boden unter meinen Füßen schien sich weggezogen zu werden. Und dann: Stille. Nur langsam rappelte ich mich hoch und dann begannen Diskussionen, Gespräche und Untersuchungen. Es scheint, als ob das Brechen des Fluches gelungen sei!

Man erzählte mir, vor vielen Jahrhunderten sei jener Fluch einmal in den Jahren des langen Krieges zwischen Stuerenern und Bilchländern unter der Selbstaufopferung zahlreicher ihrer Schamanen gewirkt worden, um diese Bastion des Feindes auf immer zu verderben, auf dass die Herrschaft des Umlandes wieder in ihre Hände falle.

Kaum war der Fluch gebrochen, da waren Hornsignale und laute Stimmen zu hören: ein Angriff! Das konnte kein Zufall sein! So schnell wir konnten nahmen wir die Waffen zur Hand und verteidigten das Burgtor gegen den Feind: die blau berockten! Es war eine große Truppe, die mit schwerem Gerät große Preschen in unsere Reihen schlug. Ein grässliches Gemetzel, und jeder wusste: diese machen keine Gefangenen! Alle standen wir zusammen, ob Kämpfer oder Gelehrter, und verteidigten gemeinsam unser Leben! Nicht viel hätte gefehlt, und ich hätte diese Zeilen nicht mehr schreiben können. Doch das Schlachtglück blieb uns hold, auch wenn wir schwere Verluste zu beklagen hatten. Lange wird dies so nicht weitergehen!

Gerade sind die schlimmsten Wunden versorgt, da taucht die Schamanin der Bilchländer wieder auf. Sie sagt, dass ein hoher Anführer der Bilchländer – „Paran“ nennt sie ihn – eingetroffen sei um mit uns zu sprechen. Wir sollen uns sofort zum Treffpunkt aufmachen. Drum heißt es nun, sich zu rüsten und diese Gelegenheit zu nutzen, auch wenn der Feind – Stueren! – überall auf uns lauern kann.

Den Göttern danke ich! Ich lebe noch! Ich spürte schon Gwons Schwingen, das kann ich wahrlich bezeugen, doch noch ist es nicht so weit … Aber eines nach dem Anderen.
An der Lichtung, an der uns die Bilchländer treffen wollten angekommen, sahen wir sogleich, dass diese mit einem Kreis aus Fackeln beleuchtet war. Einige Bilchländer – ich weiß nun, dass sie Borharcôner genannt werden wollen – waren anwesend, darunter auch der Paran der Maroncu, wie sie ihren Stamm nennen. Dieser erklärte uns, dass all die seltsamen Begegnungen im Laufe des Tages – die Ritter, der hoffnungslose Angriff, die Bauern, der Händler, und wer weiß was noch – kein Zufall gewesen waren, sondern von den Bilchländern selbst inszeniert worden seien, um uns auf Herz und Nieren zu prüfen: ob wir ehrenvoll seien, klug, aufmerksam, gerecht. Sie befanden uns für würdig und erläuterten sogleich, wozu.
Es gibt eine Weissagung der Bilchländer, dass der letzte Spross der Sorebramorer, welches untergegangene Kriegsfürsten der Bilchländer seien, die Bilchländer eines Tages doch noch zum Sieg über die Stuerener führen werde, sofern dieser „seinen siebzehnten Sommer sieht“. Dieser Junge, ein einjähriges Balg mit Namen Meorte, sei ihre letzte Hoffnung. Doch wüssten die Stuerener von der Weissagung und machten darum Jagd auf ihn. Deshalb suchten die Bilchländer nach Schutz und ihre Weissagung sah ihnen voraus, dass wir Drachenhainer auf der Burg, die wir Hadriansblick nennen, auftauchen werden und ihnen helfen können. Drum prüften sie uns, um sicherzustellen, dass wir die Richtigen seien. Bereits zuvor hatte der Paran dafür gesorgt, dass das Kind hierher gebracht würde, doch waren ihnen die Stuerener – aber nicht die blau gewandeten, gegen die wir uns bei unserer Anreise erwehren mussten, sondern der berüchtigte „Rote Jäger“, von dem die Bilchländer in großer Furcht sprachen – bereits auf der Spur.
Da sie uns für würdig erachteten war es also nun so weit, die neue Freundschaft zwischen Bilchländern – Borharcôner heißt es! Werde ich mich je daran gewöhnen? – und Drachenhainern zu besiegeln: Die Borharcôner vertrauten uns das Wichtigste an, das sie haben: das Kind Meorte, ihre einzige Hoffnung! Wir sollen ihn schützen bis zu dem Tag, da er seinen siebzehnten Sommer sieht und die Weissagung erfüllen kann. Eine schwere Bürde, doch ehrenvoll und unumgänglich! Eine Amme und eine Leibwächterin wird das Kind begleiten. Wo es untergebracht werden soll, das wird wohl nur der Fürst selbst entscheiden können.
Gerade wurde diese neue Freundschaft besiegelt und man machte sich daran, alles Weitere zu besprechen, da stürmte aus den Wäldern erneut der Feind – der „Rote Jäger“! Mit Gebrüll und dem Ruf „Gebt uns die Prophezeiung!“ preschten sie heran. Doch warteten sie auf keine Antwort, sondern ließen ihre Klingen die Verhandlung führen. Es war ein harter Kampf, der gerade so gewonnen wurde, doch das Schlimmste war ein anders: einen weiteren Verräter hatten wir in unseren Reihen, der die Gunst des Moments nutze, sich an die Bilchländer und den Balg, den jungen Meorte, heranschlich und eben diesen zu ermorden trachtete. Nur dadurch, dass die Schamanin – Araslá in ihrer Sprache – ihr eigenes Leben gab konnte sie das Kind retten. Eine edle Tat, die ich dieser Frau in Fell und Knochen nie zugetraut hätte. Ich schäme mich für alles Abfällige, dass ich über sie gedacht habe.
Dann kehrte Ruhe ein und Wunden konnten versorgt werden. Eine Vernehmung des Verräters war nicht möglich, gerade wollte man dazu schreiten, da warf er sich in eine unbedacht gehaltene Klinge der Anwesenden, was alle Hoffnung auf weiteres Wissen zu Nichte machte.
Weitere Unterredungen gab es noch mit den Borharcônern. Einer unserer Geweihten, der Erwählte der Poena Witold Rhyannon, bot sich gar an, mit seinem Sohn als Botschafter mit ihnen zu gehen um so den Kontakt zu halten, was diese annahmen.
Zurück auf der Burg machte ich mich bereits auf den Weg auf meine Pritsche, da sah ich noch einmal diesen zerlumpten Kerl, der sich selbst Grenzgänger nennt und den ganzen Tag auf der Burg herumgelungert hatte. Noch immer wollte er nicht beantworten, wer er sei, doch sagte er uns, dass die Gefahr der Stuerener vor Ort vorerst gebannt sei, wir uns aber beeilen sollten, das Kind in Sicherheit zu bringen. Ich weiß nicht, woher er von all diesen Dingen weiß, und vielleicht will ich es gar nicht wissen. Ich bin müde und will nur noch schlafen.

Widerstand der MadRuadh gegen die Siedlung an der Q1

Unter den MadRuadh mehren sich Stimmen, die den Bau eines Niochs an der Grenze zu Flaitney durch die tieflandstämmigen Hochländer ablehnen. „Dies war unser Gebiet und jetzt gräbt man uns dort das Wasser ab – alle Händler auf der Q1 werden dort Rast machen!“ hört man an den Feuern. Die Rechtslage ist allerdings eindeutig, wie Heliosgeweihte sowohl aus Luchnar als auch aus den anderen Hochlandbaronien bestätigen. Das Gebiet wurde abgetreten, also kann den Bewohnern nicht verboten werden, dort Häuser zu bauen, wenn von Seiten der Druidh nichts dagegen spricht.

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