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Helios-Bote

freies und unabhängiges Mitteilungsblatt des Landes Heligonia
Im 2. Helios, 42 n.A.III
Ausgabe 76
Kronkurier
Neues aus den Südlanden

Auszug eines Berichtes, welcher am Königshof vorgelegt wurde.

Eure durchlauchtigste Majestät!
Ich möchte euch kurz berichten, was im Lande Corenia vor sich geht.
Wie ich bereits in meinen Berichten erwähnte trafen sich die Landesherren – Vorleute genannt – um einen Prinzipaten zu wählen. Sie taten es in der Meinung, es sei ein Vertreter, der im Namen ihrer Versammlung spräche, wenn diese nicht tagt. Ob aus diesem Amt aber mehr wird, vielleicht ein König gar, wird die Zeit zeigen.
Sicher ist jedoch, dass die Wahl weniger ruhig verlief, als erhofft. Die Rede ist von alten Flüchen, Söldnern und in Rage geratenem Fahrendem Volk. Manche sprechen sogar davon, dass der in meinem letzten Schreiben erwähnte „Xurlbrunnen“, ein Schrein des Herrn der See, seine Macht und seinen Segen verloren hätte. Wenn auch nur die Hälfte der Gerüchte wahr sein sollte, dann scheint im Fernen Süden mehr unter dem Deckmantel der Einigkeit mehr von Statten zu gehen, als man meinen möchte. Leider ist die Zahl der verlässlichen Informationen aber nach wie vor so begrenzt, dass kaum Wahrheit von Unwahrheit zu trennen ist.
Sicher sind aber 2 Dinge:
Zu Prinzipatin wurde Namia, die Vorfrau von Grauwacht gewählt. Sie ist es nun, die das Schicksal Corenias lenken soll. Bis zu den Tagen der Wahl vertrat Namia eine sehr harte Position gegen über aller, die keine Corener sind. Also auch gegen uns. Es schein aber so zu sein, dass Namia ihre Meinung geändert hat und sie zeigte sich nun deutlich offener und weniger abweisend, als man es von ihr kannte. Ob dieser Sinneswandel von Dauer ist und wie sie ihr Land lenken wird, das muss die Zeit zeigen. Jedenfalls ist sie wohl nicht unumstritten bei den anderen Vorleuten und mehr als ein Ausländer hatte seinen Beitrag bei der Wahl.
Ebenso gewiss ist aber, dass Namia dem so genannten Reich der Mitte die Feindschaft erklärte für alles, was dieses Reich wohl tat. Wer genau hinter diesem Reich steht, was deren Bestreben und deren Ziel ist, das ist und bleibt im Dunkeln. Manch einer spricht von einem alten Reich, das im Herzen des Südland-Kontinents liegen soll und nun nach alter Macht zurückstrebt. Ruinen und Artefakte sprechen wohl für eine frühere Größe, aber diese scheint längst vergangen. Hier treffen Legenden, Aberglaube und die Angst der Menschen zusammen. Viel bleibt hier zu untersuchen und es ist gut möglich, dass hinter manchem Ding wirklich dieses Reich der Mitte steckt. Ebenso könnte aber ein ausgebuffter Söldnerhaufen mit genügend Männern dahinterstecken. Wir erlauben uns, unser Auge weiter wachsam hierauf ruhen zu lassen.
Wichtiger scheint es mir allerdings, von heligonischen Handelsposten zu berichten, der auf der Insel Modestia vor der Küste Corenias liegt. Die Wahl des Prinzpaten lies den Handel florieren und der Kontakt zu den Corenern wurde enger denn je, wenn auch kaum zu deren Obrigkeit. Trotzdem kann ich nicht sagen, dass sich das Bild des kleinen Städtchens so entwickelt hat, wie man es sich erhoffte.
Viele Darianer sind hier und machen aus ihrer neuen Heimat das Beste in ihrem Sinne. Selbstredend wird viel Handel getrieben, aber hier zieht manch ein Darianer ein langes Gesicht. Die Pelz- und Lederwaren, die die Corener bieten sind von hervorragender Qualität und jene wissen das genau. Überhaupt sind die Corener sich dem Wert sehr vieler Waren sehr gut bewusst und sie sind gut im Verhandeln und manch ein Darianer macht weniger Profit, als er erhoffte. Wer glaubte, mit Glasperlen und Tand für sich einen guten Profit zu machen, der wird bitter enttäuscht. Aber so kann uns auch kaum ein Corener vorwerfen, man hätte ihn über den Tisch gezogen.
Aber neben dem Handel läuft vieles aus dem Ruder. Leichte Mädchen hat es mehr als man zählen will, mehr als ein Fuselbrenner ist vor Ort, in den Tavernen wird Darok mit hohem Einsatz gespielt und Gerüchte sprechen von der ersten Rauschkrauthöhle in einem Hinterzimmer. Auf der Straße regieren Geld und das Gesetz des Stärkeren und die Gauner fangen an, sich zu organisieren.
Sollte die Entwicklung in diesem Maße weitergehen, dann – so fürchte ich – wird der Ruf des Landes Heligonia im Süden Schaden nehmen. Und die Entwicklung wird so weitergehen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Der Hafenmeister und seine wenigen Gardisten sind brave Leute, aber die Stadtgarde ist den Lastern verfallen und eine echte Obrigkeit gibt es nicht. So bitte ich euch, Eure königliche Majestät, zu handeln. Ich werde mir erlauben, euch weiter Dossiers zu Modestia zukommen zulassen, damit Ihr euch ein umfassendes Bild machen könnt. Bis dahin verbleibe ich untertänigst.

Wiedemann von Stolzenberg,
Unterhändler im Namen der heligonischen Krone

4. Tag des 1. Saarka des Jahres 42 n.H.A. III zu Escandra
Angaheymer Rufhorn
Der lange Weg

Vendor schleppte den ganzen Vormittag über schon. Und schleppte und schleppte. Stoffballen, Holzkisten, Säcke mit Getreide, Rüben, Wintervorräten, Saatgut, Fässer mit Dörrobst und Sauerkraut, Salzfleisch und Räucherfisch. Und es wurde einfach nicht weniger! Obwohl die Angaheymer Familien packten und verstauten, wurden gleichzeitig wieder neue Waren angeliefert. Der Innenhof des Gasthauses vor den Toren von Betis war angefüllt mit dem Blöken von Maultieren, Kindergeschrei, derben Flüchen und fröhlichem Gelächter. Findabair stand am großen Tor des Gasthauses und verglich die Lieferungen der Bauern und Händler mit einer Liste. 84 Auswanderer hatten sie schließlich überzeugen können, in die Heimat zurückzukehren, einige Kinder waren bereits in Betis geboren. Nicht schlecht, dachte Vendor, der von Anfang an in den Plan eingeweiht gewesen war. Auch wenn ein gutes Dutzend Angaheymer noch nicht bereit war, den Traum von Glück und Reichtum in Betis schon aufzugeben, die meisten hatten sie auf ihrer Seite. Und er war daran nicht ganz unschuldig, hatte er doch das Rennen im Betiser Stadion gewonnen, naja, wenigstens fast. Zumindest für die Angaheymer. Wagenlenker nannten sie ihn seitdem, dachte er stolz. „Schlaf net, Bua!“ Jemand stupste ihn in die Seite. Richtig, sie wollten ja heute noch aufbrechen.
Die meisten Familien besaßen nur wenige Habseligkeiten, zudem Findabair darauf bestanden hatte, sperrigen Hausrat zu verkaufen. Der meiste Platz auf dem Rücken der Maultiere war den Vorräten für den Winter bestimmt. Dies war das erste große Problem gewesen, mit dem sie sich herumgeschlagen hatten: Die Freude der alten Angaheymer über die Rückkehrer würde sofort in Ärger und Sorge umschlagen, wenn klar würde, dass man sie den Winter über mit durchfüttern mußte. Und das Tal hatte ja selbst kaum genug Vorräte, die Felder lagen brach. Die Heimkehrer mußten ihr Auskommen also selbst mitbringen, doch niemand besaß dafür genug Geld.
Das zweite große Problem war im Laufe der Jahre die Scham geworden: So viele waren vom elterlichen Hof weggezogen, um in der Fremde reich zu werden, ein besseres und bequemeres Leben zu führen, doch fast alle waren gescheitert. Manch ererbte Waffe oder Schmuckstück hatte zum Begleichen von Schulden Angaheymer Hände verlassen, die Kleidung war geflickt und die Träume geplatzt. Wer wollte sich da zuhause schon Zorn und Spott aussetzen?
Aber mit dem unerwarteten Erfolg im Betiser Wagenrennen waren nun beide Probleme mit einem Schlag gelöst: Vendor und Findabair konnten mit ihrem Angebot, die Kosten für Vorräte und neue Kleidung zu übernehmen, fast alle überzeugen, und so waren sie heute hier zum gemeinsamen Aufbruch verabredet. Jeder Angaheymer trug nun nicht nur ein neues, einfaches Gewand für die Reise, viele hatten auch ein Festgewand im Bündel. Es war nämlich noch so viel Preisgeld übrig gewesen, dass Findabair einige Ballen Tuch in traditionellen Mustern hatte weben lassen. Ein paar Betiser Schneider hatten zwar begehrliche Blicke darauf geworfen, mußten sich aber auch mit diesen begnügen. In den Angaheymer Familien jedoch wurde daraufhin eifrig genäht, gestickt und geflochten.
Jetzt war es soweit: Die Maultiere setzten sich in Bewegung, eine kleine Ziegenherde wurde losgebunden und der Hof leerte sich langsam. Kaum einer blickte zurück auf die Mauern von Betis, die im Licht des Spätsommertages langsam kleiner wurden.

Vendor wachte mit einem Brummschädel auf und mußte erst einmal nachdenken, wo er sich befand: Richtig, Burg Sarniant. Sie waren gestern abend in der Stadt angekommen, und Findabair hatte bei der Baronin um Unterkunft gebeten. Diese schien von ihrem Plan zwar auch nichts gewußt zu haben, bat die Heimkehrer aber sofort in ihre Burg, ließ ein Schwein schlachten und ein Faß Bier öffnen, und dem verdankte Vendor nun seinen Brummschädel. Obwohl, bei seiner langen Unterhaltung mit Tallrim Stabschwinger waren auch noch andere Getränke im Spiel gewesen… Draußen auf dem Hof waren schon wieder alle am Packen, so wie in den Tagen zuvor. Nur waren es jetzt elf Angaheymer mehr: Tallrim und die beiden noch verbliebenen Pratzen der Burgwache hatten bei der Baronin um Urlaub gebeten und würden sie begleiten. Vendor sah, dass sich Findabair gerade von der Baronin verabschiedete und trat hinzu. „…und ihr müßt nicht hungern!“ hörte er Josephina noch sagen. „Sendet einfach einen Boten. Und vergeßt mich nicht, ich habe nun so lange gewartet.“ Dann sah sie auf Vendor, lächelte und nickte ihm zu. „Auf gehts!“ rief jemand hinter ihm, und die großen Burgtore öffneten sich.

Am Anfang der Perlbachschlucht waren noch Lachen, Erzählen und Freude auf ein Wiedersehen mit Eltern und Freunden im Zug zu hören gewesen, je höher sie aber stiegen, um so stiller wurde es. Findabair hatte ihnen auf dem Weg nach und nach erzählt, wie es um das Tal stand, wie Haß und Zwietracht Einzug gehalten hatten, alter Streit um alte Rechte aufgeflammt war und nun niemand mehr einen Ausweg wußte. Kopfschütteln hatte das hervorgerufen, Zorn und auch Schuldbewußtsein, da der Wegzug der Jungen vieles erst ausgelöst hatte. Nun hingen beim Aufstieg alle ihren Gedanken nach. Die Wachen an der Schlucht hatten sie zuerst verblüfft angestarrt und sich dem Zug dann wortlos angeschlossen. Vendor sah sich um, Findabair hatte schon seit Beginn der Schlucht nichts mehr gesagt, verbissen setzte sie einen Fuß vor den anderen. Er selbst war hin und wieder zuhause gewesen, hatte Nachrichten überbracht und Beobachtungen mitgeteilt. Auch ein Druidh hielt für Baron Koldewaiht im Tal die Augen offen und schickte Nachrichten nach Luchnar. Aber Findabair war seit zehn Jahren nicht mehr in Angaheym gewesen. Vendor wußte kaum etwas über den großen Streit damals. Welchen Plan sie selbst wohl verfolgte? Ob man ihr überhaupt zuhören würde? Auf dem steilsten Stück gegen Ende wurde allen deutlich, wie vernachlässigt die Schlucht eigentlich war: Etliche Baumstämme aus der Schneeschmelze waren gar nicht mehr weggeräumt worden. Das hätte es früher nie gegeben, dachte so mancher. Schließlich öffnete sich das große Hochtal von Angaheym vor den Heimkehrern. Die ersten blieben stehen und blickten bewegt in das weite Rund. Dann standen sie alle auf der Anhöhe, mit den müden Kindern auf dem Arm, still, mit ernsten Gesichtern und auch einigen verstohlenen Tränen. Wie würde man sie empfangen?

Das Ende eines großen Streits

Nach wenigen Stunden wußte es das ganze Tal: Die Auswanderer waren wieder zurück! Aber sie gingen nicht zu ihren Familien, sondern lagerten auf dem Thingplatz. Warum? Eilig packte ich ein paar Dinge zusammen und traf in der Abenddämmerung dort ein. Über ein derartiges Ereignis mußte ich dem Baron von Luchnar aus erster Hand berichten! Verblüfft stellte ich fest, daß auch die Bardin zurückgekehrt war, und sie begrüßte mich freundlich: „Jerronum, der Druidh, den Herr Koldewaiht geschickt hat, ich freue mich, dich kennen zu lernen. Man hat mir schon von dir erzählt, ich danke dir für deine Bemühungen. Ich hoffe, die Dinge werden sich nun zum Besseren wenden.“ Auf meine Frage, warum sie hier auf dem Thingplatz blieben, antwortete Findabair: „Weil wir unsere Kraft sonst zersplittern würden. Jeder müßte in seiner Familie dann allein gegen den Streit ankämpfen, so aber kämpfen wir zusammen.“ Ich gab zu bedenken, wie sie die Leute denn abhalten wolle, nach so vielen Jahren ihre Verwandten wiederzusehen. Natürlich würden sich einige in der Nacht davonstehlen, lachte sie, aber genau die würden dann die alten Sturköpfe überreden, endlich einzulenken. Und viele würden morgen hierher kommen und die gleichen Fragen stellen wie ich.
Und tatsächlich, im Laufe des folgenden Tages kamen immer mehr Angaheymer zum Thingplatz, es gab Szenen voll Wiedersehensfreude, aber auch kühles Willkommen, und manche warteten gar vergeblich auf Verwandte. Und immer wieder die gleiche Frage: Warum kommt ihr nicht mit uns nachhause? Und die immer gleiche Antwort: Wir wollen, dass es zuerst Versöhnung gibt! Es dauerte noch zwei Tage, bis sich endlich alle Angaheymer aufgerafft hatten, zum Thingplatz zu kommen, Männer und Frauen, Alte und Junge. Fast alle, denn Nial, der Stammesfürst, und der alte Druide Marlyn fehlten. Die Anwesenheit des ersten erschien in den Augen seiner Sippe nutzlos, der zweite zu alt, um ihm noch so eine Reise zuzumuten. Erst als Rimgar, Tallrims jüngerer Bruder, auf der Teilnahme der beiden bestand und eine Gruppe mit einem Tragesessel Richtung Skagen schickte, ließ auch die Maerach-Sippe kopfschüttelnd Nial holen. So begann am dritten Tag die Versammlung.

Endlich ein Thing

Nun waren früher die Sippen bunt gemischt im Kreis gestanden, doch in den vielen Jahren meiner Anwesenheit in Angaheym kannte ich bei den wenigen Treffen nur dieses Bild: Die vier Sippen standen streng getrennt, und beäugten sich mißtrauisch und nervös. So war es auch dieses Mal, allein die Heimkehrer bildeten eine fünfte Gruppe und behaupteten stolz ihren Platz im Rund. Nach einigem verlegenen Schweigen ergriff schließlich Rimgar das Wort, und es schien mir, als habe auch er lange, sehr lange auf diese Möglichkeit gewartet.
„Ihr seid in die Heimat zurückgekehrt, und wir heißen euch willkommen! Doch was habt ihr uns zu sagen, dass ihr hier wartet und nicht zu euren Familien heimkehrt?“
Ein junger Mann ruft in den Kreis: „Wir haben gehört, was hier los ist. Das ist nicht mehr unser Angaheym. Es gibt zu viel Streit!“ Und ein anderer: „Wir wollen zurückkehren, aber in unsere Heimat, und das ist sie nicht!“ Dann mehrere Stimmen: „Wir wollen, dass Frieden herrscht, begrabt euren Streit!“ Ärgerliches Gemurmel von allen Seiten. „Dazu muß erst Recht gesprochen werden! Dazu braucht es ein Thing!“ ruft Thorkar Mauerbrecher erbost. Das Gemurmel wird lauter.
„Wir haben bereits ein Thing“, ist plötzlich Findabairs Stimme zu vernehmen. „Wir müssen es nur noch formell eröffnen.“ Mit diesen Worten tritt sie in den Kreis vor den großen Stein. „Nial Felsenhammer, komm in die Mitte!“ Nial trottet nach vorne und blinzelt erwartungsvoll in die Runde. „Rimgar, laß bitte Marlyn hierher tragen. Und Jerronum, ich bitte dich ebenfalls, nach vorn zu kommen.“ Verblüfft folgte ich der Aufforderung, und das Gemurmel wird noch lauter. Ein Stammesfürst, der nicht alle Sinne beieinander hat, eine Bardin U‘Mad, ein fremder Druid und ein mümmelnder Greis – wie sollte denn so ein Thing möglich sein! Ich schloß die Augen, um die folgende Katastrophe nicht sehen zu müssen. Doch Findabair sprach weiter. „Jerronum mag zwar nach so vielen Jahren immer noch ein Fremder sein, aber er ist auf die Bitte von Baron Koldewaiht, eines alten Angaheymer Freundes, hier. Er hat sich um Marlyn gekümmert, was kein anderer von euch tat. Er ist ein Druide und genießt Marlyns Vertrauen.“ Der alte Druide nickt bedächtig mit dem Kopf.
„Und Nial hier ist immer noch der gewählte Thingsprecher. Leider hindert ihn eine Krankheit daran, seinen Pflichten nachzukommen, mag es sich dabei um eine Verwundung oder eine Grippe handeln, das ist einerlei. Unser altes Recht besagt, dass er in diesem Fall von Barde und Druide vertreten werden kann.“ Wieder nickt Marlyn, seine Augen glänzen.
„Wir werden nun also Recht finden und Recht sprechen. Tretet in den Kreis, tragt euer Anliegen vor und laßt die Hand von der Waffe, wie es Brauch ist.“
Verblüfftes Schweigen war eingetreten, und manch einer ahnte, dass er irgendwie überlistet worden war, behielt es aber wohlweislich für sich.

Der Rechtsspruch

Thorkar trat in die Mitte und wandte sich an die Angaheymer: „Ihr wißt, daß mir auch ein Stück Wald in Skagen gehört. Doch Leif Stahlschulter hat auf seinem Grund immer mehr Emmer angebaut, um immer mehr Ischgi zu brennen, den er dann teuer verkauft hat. Weil nur noch Emmer stand, kam der Käfer ins Feld und hat unser beider Ernte vernichtet.“ Leif will wütend dazwischenfahren, wird aber durch lautes Zischen an die Regeln erinnert. Die alte Rechtsformel tat bereits ihre Wirkung. Ich öffnete verblüfft wieder die Augen. Thorkar fuhr fort: „Leif hatte immer noch nicht genug und fällte Bäume für ein neues Feld. Aber die gehörten mir und nicht ihm. Ich will dafür Entschädigung!“
Auf ein Zeichen Findabairs trat nun Leif in den Kreis, das Gesicht rot vor Zorn. Die Käfer seien von Thorkars Feldern gekommen, und die Bäume hätten schon immer ihm gehört. Nix gibt’s!
Findabair fragt in die Runde, ob jemand den genauen Grenzverlauf wüßte. Es folgt eine kurze Diskussion, an deren Ende klar ist, daß niemand etwas Genaues weiß, selbst Marlyn ist sich nicht sicher. Aber eines weiß er: Dass die Käfer immer in allen Feldern waren, wenn sie kamen. Dass sie aus dem Boden kriechen, wenn zuviel Einerlei steht, und dass es eine Strafe von den Drachen ist für soviel Dummheit. Und daß man ein Kraut pflanzen muß und einpflügen, damit sie wieder gehen. Und das wisse doch wohl jedes Kind, jawohl! In das betretene Schweigen hinein kratzte sich nun so mancher Bauer hinter dem Ohr. Aber das löste noch nicht das Problem mit der Grenze und den Bäumen. Schon wollte wieder Streit aufkommen, da zupfte mich Marlyn am Ärmel, und ich verschaffte ihm Gehör. Der alte Druide richtete sich mühsam auf: „Bäume dürfen nicht einfach so gefällt werden! Sie schützen die Felder vor dem Sturm. Sie halten die Erde fest. Sie versperren dem Schnee den Weg. Die Bäume schützen uns alle. Deshalb hätte Leif das Thing um Erlaubnis fragen müssen, und dann hätte Thorkar auch seinen Anspruch anmelden können. Leif hat nicht nur Thorkar, sondern uns allen geschadet. Er darf das Feld behalten, muß den Schaden aber wieder gutmachen.“ Aus der Zuhörerschaft kam leises Gemurmel als Zustimmung. Nun ergriff Rimgar wieder das Wort: Er schlug vor, dass Leifs Sippe fünf Jahre lang die Schlucht in Ordnung halten und das geborgene Holz an Thorkar abtreten müsse. Thorkar allerdings solle ihm bei Schwierigkeiten mit seinen Leuten helfen. Der Vorschlag gefiel den Angaheymern, es gab Rufe und Geklirr mit den Waffen, auch mir schien die Lösung gerecht zu sein. Allein Leif und Thorkar maulten herum, dass Nial sicher anders geurteilt hätte, dass man die Entscheidung doch auf ein richtiges Thing verschieben solle, dass man auch ohne Nicht- , Halb- und Nichtmehr-Angaheymer in der Lage sei, Ordnung zu schaffen und ähnlich freundliche Dinge mehr.
Schließlich trat Findabair dazwischen: „Wenn ihr euch prügeln wollt, dann ohne uns. Die Wieder- und die Immernoch-Angaheymer haben nämlich die Nase voll von eurer Streiterei! Wenn ihr unbedingt rausfinden wollt, wer der Bessere ist, dann machen wir ein Utzganspiel, aber eines von der alten Art. Ihr habt zwei Tage Zeit, eure Kämpfer auszusuchen und euch vorzubereiten. Dann können sich die umbringen, die Lust drauf haben, und alle anderen haben ihre Ruhe. Solange immer noch kein Friede herrscht, bleiben wir an diesem Ort und bereiten euch das Utzganfeld vor.“ Mit heftigem Gebrüll wurden Leif und Thorkar überstimmt, und die denkwürdige Versammlung beendet.

Das Utzganspiel

Am Nachmittag des zweiten Tages trafen alle wieder auf der Wiese ein. Ich hatte bis dahin mit vielen Heimkehrern ein paar Worte gewechselt, Bekanntschaften geschlossen und manch interessante Geschichte erfahren. Nun bin ich kein großer Kenner des Utzganspiels, aber die Regeln sind mir vertraut, und ich habe schon einige wilde Kämpfe um die Socke oder – bei Traditionalisten – den Ring erlebt. Was ich nun aber zu sehen bekam, ließ mich nicht selten entsetzt die Augen schließen: Was Findabair als „alte Art“ bezeichnet hatte, war mehr Kampf als Spiel. Der Ring war aus Stahl und nur dünn mit Leder umwickelt, um die Kanten etwas abzumildern. Die Spieler schützten sich mit Polstern, Helmen und Lederrüstungen vor allzu schweren Verletzungen, und selbstverständlich gab es keine menschlichen Utzer, sondern zwei dicke Stangen im Boden. Findabair übernahm das Richteramt und hatte mehr zu tun als ihr lieb war, denn die beiden Mannschaften hatten ihre Wut aufeinander einige Jahre lang gepflegt. Nach mehreren ausgeschlagenen Zähnen, einem gebrochenen Oberarm und zwei Ausfällen wegen Bewußtlosigkeit stand es Fünf zu Vier für Thorkar und die Männer von Aithil, und das bedeutete seinen Sieg, da es bei dieser Variante offenbar keine zeitliche Begrenzung gab. Damit war das Spiel offiziell beendet, was jedoch Leif und Thorkar nicht davon abhielt, sich zu zweit weiter wütend um die Scheibe zu raufen. Allerdings war es bereits Abend, und das Publikum hungrig. Nach und nach begaben sich alle an die Lagerfeuer, die ersten Hörner Bier wurden geleert. Schließlich gingen Tallrim, Findabair und Rimgar nochmals zum Spielfeld, um nach den beiden einsamen Streithähnen zu sehen. Mit den Händen in den Hosentaschen standen sie da und beobachteten stumm die verbissenen Kämpfer. Schließlich schüttelte Tallrim den Kopf und rief: „Wenns no wos zum Essn wollts, dann derfats schee langsam kemma. Mia sauf ma scho.“ Verdutzt starrten sich die beiden Sturköpfe an und folgten den anderen endlich doch leicht schwankend ins Lager. Dort wurden die Schrammen, blauen Flecken und blutigen Nasen lachend kommentiert und jegliche Erwiderung sogleich mit einem kräftigen Schluck zum Schweigen gebracht. Als sie in den frühen Morgenstunden gefragt wurden, wer denn das einsame Spiel nun eigentlich gewonnen hätte, konnten sich die beiden beim besten Willen nicht mehr an die Zahl ihrer Utze erinnern, zuckten hilflos mit den Schultern, sahen sich an und begannen lauthals zu lachen.

Der neue Morgen

Am Vormittag des folgenden Tages brachen alle ihre Zelte ab und kehrten endlich nachhause zurück, so daß der Thingplatz vorerst verwaist zurückblieb. Allerdings soll noch vor dem Winter ein großes Allthing stattfinden, bei dem ein neuer Thingsprecher und Stammesfürst gewählt werden soll. Außerdem müssen Pläne für die Wiedereinführung eines Markttages und neue Handelsbedingungen gefaßt werden. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Ordnung wieder hergestellt ist und alte wie neue Dinge in geregelten Bahnen laufen. Ich für meinen Teil wurde inzwischen von Findabair gebeten, von Hof zu Hof zu ziehen und vergangene Rechtsfälle zu erfragen und aufzuschreiben, um gewissermaßen ein neues, altes Angaheymer Recht niederzulegen, auf dass so etwas wie der große Streit nie wieder passieren möge. So habe auch ich nun meine Aufgabe und freue mich, endlich etwas beitragen zu können. Ich bin schon sehr gespannt auf all die Dinge, die nun gerade ihren Anfang nehmen.

Jerronum, Druid aus Luchnar

Fernrohr (Nicht-Königreich)
Reisebericht von Karolus von Neuenstein

Auf dem Weg von der Front in Stueren nach Neuenstein, anlässlich des bevorstehenden Herzog-Rolo-Festes, entschloss ich mich dem eiligen Hilferuf von Bruder Gregor Schattenbanner zu folgen, welcher um dringende Unterstützung gebeten hatte im Kampf gegen einen Diener des Bozephalus, einen gewissen Lukretius. Dieser ist uns vor Jahresfrist schon einmal entwischt, als dieser versehentlich befreit wurde anlässlich der Einweihung der Kommende Wachstedt in Neuenstein.

Da meine Männer bereits eingeschifft waren und ich noch einige Dinge im Feldlager zu regeln hatte, übergab ich kurzerhand Dimarus von Weissenfels, meinem Knappen das Kommando und machte mich allein auf den Weg, da ich wusste die Ritterbrüder des Ordens des Seligen Jonas zu Rhodien würden uns im Kampfe gegen das Übel beistehen.

Auf dem Weg in die Kommende traf ich auf den von Bruder Gregor bestimmten Anführer der Expedition, Hexenkommissar Einhilf, der zusammen mit einigen Brüdern bereits die Unterstützungstruppen erwartete.
Ebenso erfreulich war es das 2 Schwertbrüder vom Orden des Schwertes des heiligen Wladislaw und einen Ihrer Strelitzen trafen, welche uns nicht nur im Kampfe, sondern auch im Glauben Verstärkung gaben.

Schnell hatte ich mich mit Hexenkommissar Einhilf, Ritter Alexej und Ritter Jaroslaw darauf verständigt, dass alles dafür getan werden müsse um dem Treiben des Lukretius Einhalt zu gebieten, da dieser sich unheiliger und böser Kräfte bediente, welche einem jeden braven Ceriden aber auch allen anderen Menschen das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Kurzum, auf unserer Reise kamen noch 2 weitere größere Trupps zu unserer Expeditionstruppe hinzu. Zum einen ein Trupp Soldaten aus Magonien unter dem Kommando von Frau Sergeant Ashaba, sowie einer Abordnung des Lagers des Kupfernen Drachen von der wirklich weit entfernten Insel der Drachen unter dem Kommando von Lady Iskierka.
Bereits kurz nach unserer Ankunft in der kleinen Kommende wurde uns klar, das wir hier ein ernstes Problem zu bewältigen haben, da die Kommende verwaist war und es Hinweise gab das alle Brüder und Schwestern getötet oder verschleppt waren.
Unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich, denn niemand anders als Lukretius und seine Schergen steckten dahinter, denn Sie griffen uns direkt an und forderten die Herausgabe von etwas das in der Kommende versteckt sein musste. Im Laufe des Abends gelangten wir in den Besitz von diversen Teilen eines Puzzels, welches wir aber noch nicht zusammensetzen konnten.

Im Laufe des ersten Abends und des darauf folgenden Morgens fanden wir heraus, dass das Objekt der Begierde von Lukretius offenbar ein machtvolles Schriftstück sein musste, welches gut gehütet in der Kommende versteckt war und das der Schlüssel hierzu das bislang unvollendete Puzzle war.
Leider wurde Hexenkommissar Einhilf am Freitagabend im Laufe der Kampfhandlungen getötet, genau wie fast alle der mitgereisten Seesoldaten der Rhodischen Miliz. Mit seinen letzten Atemzügen übertrug Einhilf mir die Befehlsgewalt, welche ich aber mangels eigener Waffenknechte nicht durchzusetzen vermochte und daher Lady Iskierka und den Magoniern den Oberbefehl über die Verteidigung überlies und mich auf die Lösung der Probleme zusammen mit den Schwertbrüdern Alexej und Jaroslaw konzentrierte.
Schließlich provozierte Ich bei einem neuerlichen Aufeinandertreffen Lukretius, was aber von einigen Anwesenden offenbar missverstanden wurde, worauf meine Wenigkeit von einem Bogenschützen aus den eigenen Reihen beschossen wurde, zum Glück ohne ernste Verletzung. Lukretius stellt daraufhin ein Ultimatum bis Mitternacht und Griff mit seinen Schergen an.
Im Laufe der Gefechte wurde ich schließlich doch ernstlich verwundet und musste mich aus dem Kampf zurückziehen.
Nach und nach tauchten dann die vermissten Brüder der Kommende auf, zum großen Teil als grässliche Schergen des Lukretius, der die Brüder auf abscheuliche Weise von den Toten zu willenlosen Kreaturen erhob.
Es gelang uns nach und nach die Brüder aus den Klauen des Bozephalistischen Dieners zu befreien und sie zur letzten Ruhe auf dem wieder eingesegneten Friedhof zu betten.

Dass uns diese Tat in der Nacht zu großem Vorteil gereichen sollte ahnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Schließlich fanden wir auch die Lösung des Rätsels und das verborgene Schriftstück erschien im Weihwasserbecken der Kapelle, dem einzigen Ort, den Lukretius nicht verheeren konnte.

Als Bruder Alexej, der Söldner Skar und ich begannen das Schriftstück zu übersetzen, bemerkten wir das es sich um eine mächtige Beschwörungsformel handelte, aber es gelang uns nicht die Übersetzung abzubrechen, da ein unheimlicher Bann von dem Schriftstück aus ging. Als wir geendet hatten, waren einige merkwürdige Dinge geschehen und wir erkannten, dass die Formel unter allen Umständen von Lukretius fern gehalten werden musste.

Bei Ablauf des Ultimatums kam Lukretius erneut zurück, mit einer großen Zahl an Untoten und anderem bozephalistischem Gezücht und ging unvermittelt zum Angriff über. Wir konnten Ihn davon abhalten in die Kommende einzudringen, allerdings wurden unsere Truppen stark bedrängt und wir hatten immense Ausfälle. Zu guter Letzt wurden wir Zeuge eines Wunders des Eynen, denn Einhilf, der getötete Hexenkommissar erschien in Gestalt eines Racheengels und beendete die Existenz der Schergen von Lukretius mit der Macht des Eynen. Lukretius sprach daraufhin lästerliche Flüche aus und verschwand in der Dunkelheit des Waldes. Wir sprachen ein Dankgebet an den Eynen und Einhilf wurde entrückt um seine Taten auf der Seelenwaage wiegen zu lassen.
So waren wir zu guter letzt siegreich, aber Lukretius entwischte uns erneut.
Im Nachgang der Vorfälle gab es noch eine Verhandlung gegen mich, denn Lady Iskierka bestand darauf meine Person zur Rechenschaft zu ziehen, da man mich absurder Weise verdächtigt hatte mit Lukretius im Bunde zu stehen. Da das gefällte Urteil noch nicht rechtsverbindlich ist schweige ich zunächst darüber.

Als wir unseren Sieg feierten aber auch unserer Gefallenen gedachten bekamen wir noch Besuch eines Mitstreiters, welcher mit seinen Mannen anderen Spuren gefolgt war und erst spät zu uns stieß, dem ehrenwerten Khalil Malear Quintos de la Cruz, Markgraf von Aquilejia, Baron v. Hellendahl, Baronet of Ettrick and Lauderdale, Schwert- sowie Herbstmeister der Yorks und Ehrenkundschafter zu Obergralt.

In intensiven Gesprächen die noch an anderer Stelle fortgesetzt werden, haben der Markgraf von Aquilejia und meine Wenigkeit zusammen mit Bruder Gregor Schattenbanner eine künftig intensivere Zusammenarbeit und Ritterliche Freundschaft vereinbart.

Der Markgraf und Bruder Gregor haben mich eingeladen der heiligen Liga zum Schutze des Ceridentums und wider den Kräften der Finsternis beizutreten. Die Verhandlungen hierüber laufen bereits.
Nachdem wir uns herzlich voneinander verabschiedet hatten trat ich zusammen mit den Schwertbrüdern Alexej und Jaroslaw die Reise zum Prätorium Hilarii in Lyrien an, da man mich gebeten hatte Zeugnis über das Wunder des Eynen abzulegen.
Nach diesem Zwischenaufenthalt werde ich nach Neuenstein zurück kehren um dort nach dem Rechten zu sehen und neue Kräfte für die Offensive im Frühjahr gegen Stueren zu sammeln, auf das der unselige Krieg endlich ein Ende finden möge.

Karolus von Neuenstein,
Baron zu Neuenstein, Ritter von Wildbach, Generalquartiermeister der h.o. Armee und Erbauer des Herzog-Angilbert Kanals

Gegeben am Hilariustag, 6. Tag im Rebenmond, 104 n.d.E. in einer kleinen rhodischen Kommende weit abseits der großen Handelswege im Unwegsamen Grenzland
Herzöglich-Ostarische Hofgazette
Ostarien feiert

Seit nunmehr 15 Jahren ist Angilbert I. Uriel Herzog von Ostarien. Er folgte seinem Großvater Uriel II. im Jahre 26 n.A.III. auf den Thron des Herzogtums, nachdem sein Vater Aftalun, der heutige Primus Pacellus zu Gunsten einer Laufbahn in der Ceridischen Kirche darauf verzichtet hatte. Da der Herzog, der seine im Kindbett verstorbene Mutter Evanna von Lodenburg nie kennengelernt hatte, in kindlichem Alter war, wurde die erlauchte Herzogenwitwe Walluma von Carajon, seine Großmutter zur Regentin bestimmt, die von nun an mit gestrenger und weiser Hand die Geschicke des Herzogtums lenkte. Der junge Herzog wurde von Jahr zu Jahr mehr in die Regierungsgeschäfte eingebunden. Seit jeher gilt der dunkelhaarige, hübsche Jüngling als Wohl und Glück Ostariens, seit dessen Thronbesteigung sich das Blatt im Herzogtum zum Guten gewendet hatte. So waren es Ödling, Pustelplag und Teemoranien, die allesamt um das Jahr 26 besiegt wurden. Auch fiel in diese Zeit der Aufstieg der Ostarischen Marine, heute unser aller Stolz und Ruhm. Sicher mag die Wende im Schicksal Ostariens in gleichem Maße der klugen Politik der Regentin, wie auch dem wackeren Streiten der Getreuen und Verbündeten geschuldet sein. Auch mag man einwenden, daß die entscheidenden Schlachten noch zu Lebzeiten, des allerdings schon sehr siechen Uriels II. geschlagen wurden. Herzog Angilbert I. aber symbolisiert das Herscherheil und das Selbstverständnis des heutigen Ostariens wie kein anderer. Kein anderer Ostarischer Herzogsname wurde so oft, voller Inbrunst in die Welt geschmettert wie Angilbert I. (lang lebe er!).
Wir wollen die Ereignisse um die Übernahme der Regentschaft des jungen Herzogs dem geneigten Leser in den folgenden Artikeln näher bringen:

Ein denkwürdiger Geburtstag

Am 12. Tag des 1. Poena im Jahre 41 n.A.III. war es nun endlich soweit. Seine Erlaucht würde sein 18. Lebensjahr vollenden und endlich die Regierungsgeschäfte übernehmen. Zu diesem
Anlass wurden alle Personen von Amt und Würden, von Rang und Namen aus Heligonia und dem befreundeten Ausland eingeladen, um dem jungen Herzog die Ehre zu erweisen und dem großen Ereignis in der Herzogenstadt Ankur beizuwohnen. Auch namhafte Künstler wurden eingeladen, Herrschaft und Gäste zu ergötzen. Und so reiste Hoch- und Niederadel Heligonias, Geweihte und Gelehrte, Wohlhabende und Arme in großer Zahl an. Selbst alle wichtigen und bekannten Personen des öffentlichen Lebens zu nennen, würde hier den Rahmen sprengen und so seien hier nur diejenigen genannt, die sich in irgendeiner Form während der Festtage hervorgetan hatten.
Das eigentliche Fest dauerte zwei Tage. Während am 12. Tag des 1. Poena, also am eigentlichen Geburtstag, die feierliche Amtsübergabe stattfand und am Abend ein feierliches Bankett abgehalten wurde, fand am 13. Tag des 1. Poena die Einweihung des Herzog Angilbert Kanals sowie eine Flottenparade zu Ehren des Herzogs statt. Am Abend schließlich endete das Fest der hohen Herrschaften mit einem rauschenden Ball. Für das gemeine Volk wurden währenddessen in Ankur allerorten Feste und Jahrmärkte abgehalten. Diese dauerten eine ganze Woche an.
Die eigentliche Amtsübergabe fand im großen Herzog Rolo Saal der herzöglichen Residenz statt, in dem sich alle Würdenträger Ostariens und Gäste von Rang versammelt hatten. Selbstverständlich waren alle direkten Vasallen des Herzogtums, also die Herrscher der 12 Baronien anwesend, allein die Nordmark wurde lediglich durch den jungen Kapitän des Post- und Kurierschiff Nordschwalbe aus Härtwigs Hafen, Brenzo Reißwasser repräsentiert, was aber die wenigsten erstaunte, glänzt doch unser Bollwerk gegen die Ödlinge bei so vielen offiziellen Anlässen durch Abwesenheit. Die wenigsten scheinen dies allerdings zu bedauern, hört man doch allenthalben von den rohen Sitten, die in dieser Wildnis fern der Zivilisation herrschen sollen. Auch den Vertretern des Pailat sagt man eine übermäßige Weltfremdheit nach, die sie in Ankur stets fehl am Platze wirken lässt.
Nachdem nun alle versammelt waren und Fanfarenstöße die Versammelten zur Ruhe gemahnten, übergab Regentin Walluma das große Siegel Ostariens mit der Marashnatter symbolisch an den jungen Herzogs. Als Zeugen für diesen Akt waren neben hohen Beamten des Königs und einem Reichsritter auch der Primus der Ceridischen Kirche sowie Hochgeweihte aller vier Götter anwesend. Ansonsten verlief die Prozedur in gewohnt ostarischer Manier ohne religiöse Zeremonien. Es wurden allerdings im Laufe der Festtage mehrere ceridische Messen und ogedische Götterrituale angehalten, so daß jeder auf seine Kosten kam und im Namen seines Glaubens um den Segen für den jungen Herrscher bitten konnte. Die notwendigen bürokratischen Formalitäten für die Amtsübenahme waren selbstverständlich bereits im Vorfeld erledigt worden. Als also der offzielle Akt „besiegelt“ war, gab Angilbert I. das Zeichen des Symbols seiner Regentschaft an seine Großmutter zurück und so wurde verkündet, daß Walluma von Carajon fortan als Kanzlerin Ostariens weiterhin maßgeblich an den Regierungsgeschäften beteiligt sein solle. Weiterhin wird sie als Erzvogtin zu Ankur die Geschicke der Erzmark und der Stadt lenken und leiten.
Im Anschluss bekräftigten die Vasallen des Herzogtums erneut überschwänglich Ihre Treue zum Herzog. In nicht enden wollenden „Lang lebe Herzog Angilbert I.“-Rufen endete der offizielle Teil.
Im Anschluss war es am versammelten Adel, dem jungen Herzog zu gratulieren und allerlei Geschenke zu übergeben. Hier wollen wir nun diejenigen Gäste nennen, welche besonders bedeutsam sind oder sich durch ein spezielles Geschenk hervorgetan haben.

Prinz Anselm von Thal, der mit einer größeren Anzahl weiterer Thaler Barone angereist war, übergab dem jungen Regenten ein Wunderwerk der Ingenieurskunst, ein gläsernes Gewächshaus. Besonders bemerkenswert waren dabei die großen Glasscheiben, die mehr Licht in das Gewächshaus lassen als die bisher verfügbaren Butzenscheiben. Besonders die Glashütte der Güldenthaler Vogtei Queres hat aufgrund der Gewächshausbauten des Prinzen in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte in der Glashüttentechnik hervorgebracht. Getragen wurden die Glasscheiben von grazilen Säulen aus Kalaruner Schmiedekunst, die mit allerlei Allegorien die Tugenden des jungen Herrschers darstellten. Schon bald nach den Feierlichkeiten kümmerte sich der Prinz um die Fundamenterrichtung in den herzöglichen Gärten sowie die Verlegung von edlen Blausteiner Marmorplatten. Weiterhin ließ der Prinz einige edle Gewächse aus seinen eigenen Gewächshäusern übergeben, darunter verschiedene Zitrus- und Orangenbäume, sowie die sehr seltene und hervorragend schmeckende Alapasiusstaude.
Eine Delegation aus Seedomee unter der Freigräfin ergriff die Gelegenheit, dem jungen Herzog erstmals die Aufwartung zu machen und die neuen Baroninnen vorzustellen.
Baronin Leabell von Tlamana überreichte dem Herzog ein prächtiges Schwert aus vielfach gefalteten Tlamanerstahl, in dessen Knauf kunstvoll eine aurazithene Maraschnatter eingearbeitet wurde. Die Scheide aus schmuckem schwarzen Leder ist punziert und mit aurazithenen Einlegearbeiten verziert.
Fürst Leomar von Drachenhain überreichte einen schweren Herrschermantel in Purpur, aus feinster hochländischer Wolle, wundervoll bestickt, außerdem einen schweren Falknerhandschuh, der symbolischen für die Auswahl eines Hand aufzuziehenden Drachenhainer Falken steht, sobald Angilbert dazu Zeit fände, verbunden mit einer gemeinsamen Jagdpartie in der Wolfenfelder Jagdkammer. Es folgten einige Drachenhainer Adlige und Offizielle unter ihnen auch Baronin Josephina von Drachenhain, die dem Herzog einen Hirschfänger überreichte, um dessen Ebenholz-Griff sich eine Ostarische Schlange in Silber windet.
Der Fürst von Angaheym, Rimgar Drachenstampfer folgte mit einer kleinen Schar Getreuer und übergab als Ehrenbezeugung ein kleines Faß Uisge und eine schöne Jagdlederrüstung, Schild und Sauspeer aus Angaheymer Fertigung sowie eine Einladung zur Wolfshatz. Nachdem der Fürst einige knappe Worte ob einer erfreulichen Zukunft mit Handel und Hilfe an Seine Erlaucht Herzog Angilbert I. Uriel von Ostarien gerichtet hatte, betonte er, daß der gemeinsame Dienst für den König, Seine Allerdurchlauchtigste Majestät Aximistilius III der höchste Genuß sei. Ein einvernehmliches Miteinander sei anzustreben, der Wunsch nach Frieden und kulturellem Austausch verbinde die beiden Völker und Herzen. Die Geschenke wurden dem Herzog von einem Gefolgsmann des Fürsten begleitet von einigen Sätzen im breitesten Angaheymer Dialekt überreicht. Dem Berichterstatter der Hofgazette war es, möglicherweise zum Glück, leider nicht möglich, die Sätze zu verstehen, weshalb sie hier nicht wiedergegeben werden sollen.
Der Doge von Betis reiste mit einer Abordnung des Betiser Großen und Hohen Rats an. Als Geschenk wurde dem Herzog das Mauskript einer Oper überreicht, die der „in Betis lebende große Sohn Ostariens“ (Heliosbote 72) Wolfgrimm Aramantus Mordshart im Auftrag des Dogen für und über Angilbert persönlich geschrieben hat – ein Zeichen der tiefen Verbundenheit zwischen Betis und Ostarien. Weiterhin wurde Herzog Angilbert I. Uriel zum Bürger des Monats ernannt. Darüber hinaus verkündete der Doge, daß die die von der Regentschaft scheidende Herzogengroßmutter Walluma von Carajon aufgrund besonderer Verdienste für die ostarisch-betiser Freundschaft zur Ehrenbürgerin der Stadt Betis ernannt würde.
Als weiterer wichtiger Verbündeter sei hier noch der Abt von Dunkelstein genannt, der noch einmal den gemeinsamen Zusammenhalt und die geschlossenen Bündnisse beschwor.
An den Feierlichkeiten zur Inthronisation von Angilbert I. Uriel von Ostarien nahm auch die Freiherrschaft Felsental teil. Vor Beginn der Feierlichkeiten fanden diplomatische Gespräche zwischen Ostarien und Felsental statt. Man munkelt, dass die hinter verschlossenen Türen geführten Verhandlungen zwischen Herzog Angilbert und Freiherr Berengar auch die gegenseitige Unterstützung auf See zur Sache hatte. Seit geraumer Zeit existiert ein Flottenabkommen zwischen beiden Ländern, welches von Ostarischer Seite noch vor der Volljährigkeit seiner Hoheit des Herzogs geschlossen wurde. Offensichtlich waren die Konsultationen zu beiderseitigem Gefallen verlaufen, da alle Beteiligten auf dem später am Tag stattfindenden Ball eine dem Rang angemessene gelöste Stimmung aufwiesen. Die offizielle Verlautbarung der Herolde zu diesem Treffen gibt als Ergebnis der freundschaftlichen Gespräche die Einrichtung ständig besetzter diplomatischer Vertretungen bekannt. Dieser Schritt kann nur als weitere Annäherung zwischen beiden Ländern zu verstehen sein.
Als weiterer ausländischer Gast trat eine Gesandtschaft der Stadt Seeburg am Bodenlosen See auf, welche seiner hochwohlgeboren dem Herzog Angilbert I Uriel von Ostarien die besten Wünsche und entsprechend Geschenke überbrachte.
Unter den Vasallen Ostariens seien hier beispielhaft zwei Vertreter genannt:
Baron Karolus von Neuenstein übergab Seiner Erlaucht einen Zuchthengst aus dem Gestüt der Eowar als Geschenk, eine Gabe, die seit 3 Generationen nicht mehr gemacht worden war.
Baron Richard von Arnach überreichte, die von Heliodora von Oggnitz vor genau 100 Jahren zusammengetragenen Originaltexte des ersten Logbuchs Heligonias, das aus unerfindlichen Gründen kürzlich im AAA (Altes Arnacher Arsenal) gefunden wurde. Die Begleiterin des Barons, welche den jungen Herzog anlächelte, war eine unbekannte, hübsche und auffallend junge Hausangestellte. Eine Bürgerliche!
Als Kuriosum sei hier noch der sichtlich angetrunkene Gouverneur des Herzog-Uriel II-Atolls, Jens-Hendrik Nilsson genannt. Er überreichte Angilbert aufwändig gestaltete Miniatur des H.U.II-Marinestützpunkts mit kleinen Spielzeugschiffen, wobei er sich scheinbar im Alter des Thronfolgers um etwa 10 Jahre verschätzt hatte.

Zum Abschluss des Geburtstages Seiner Erlaucht fand ein großes Festessen der geladenen Würdenträger statt. Bis tief in die Nacht wurden unzählige Gaumenfreuden aufgetragen. Es wurden ausgelassene Unterhaltungen geführt, Kontakte geknüpft und den Darbietungen diverser Künstler gelauscht. Beispielsweise nutzten die vielen noch unbekannten Adeligen aus Sedomee hier die Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit vorzustellen und Kontakte mit dem Adel und anderen wichtigen Personen zu knüpfen, um unter anderem die Handelsbeziehung nach Norden auszubauen.
Unter den Auftretenden Künstlern sei der unvergleichliche Harald Schönefonte genannt, der ein Medley seiner größten Hits (Eiland im Sonnenschein, Wo ist der Teemon usw.) zum Besten gab. Gouverneur Nilsson war es wohl gelungen den Flamingo-Barden dazu zu überreden, aus gegebenem Anlass nach Ankur zu reisen.
Als „Künstler“ im weiteren Sinne trat dann auch ein Darianischer Gelehrter auf, der sich als Yallas, Ehrenpräsident der freien Akademie der Wissenschaften zu Darbor vorstellte. Er präsentierte dem anwesenden Adel seine Erfindung, ein auf gebogenen Spiegeln basierendes Fernrohr. Dieses, so der Südländer, sei viel leichter und leistungsfähiger, als die bisher bekannten Geräte mit geschliffenen Gläsern. Der militärische Nutzen an Land, bei der Aufklärung über den Zustand der feindlichen Linien, sowie der nautische Nutzen bei Expeditionen zur See und in der Kriegsschifffahrt sei bei entsprechender Weiterentwicklung des Prototyps immens. Tatsächlich gelang es dem Herren die Aufmerksamkeit einiger Vertreter der Admiralität der Ostarischen Marine auf sich zu ziehen. Ja, es war Admiralsekretär Wolfgrimm von Nigramsfall selbst, der versprach, dem Gelehrten eine Demonstration vor einem Expertengremium zu ermöglichen.
So endete der 18. Geburtstag Herzog Angilbert Uriels des I., Herzog von Ostarien.

Drachenhainer Herold
Das Banner

Wie nun veröffentlich werden darf:
Nach Audienz des Fürsten Leomar von Drachenhain und seines Kanzlers Giselher von Mühlenheim in Escandra, vor mehr als einem Jahr, billigte seine allerdurchlauchtigste Majestät, die Einsetzung eines neuen Hohen Amtes. Bekanntlich ist es im Lande Drachenhain ja Brauch und Sitte, Dienstämter, wie das des Kanzlers oder das des Marschalls, mit speziellen Insignien auszustatten, damit der Inhaber für jedermann erkennbar sei.
Somit hat Drachenhain den sechs bisherigen Hohen Ämtern, ein siebtes hinzugefügt, das des Bannerherrn. Deren Insignie soll das brennende Feldzeichen sein, das während den Geschehnissen im und um das Heerlager Messerheide in die Verantwortung des Fürstentums überantwortet worden ist. Das Flammende Banner erwies sich als überaus nützliche Waffe gegen anrückende stuerener Einheiten, nach einem kurzen Ritual entflammte es auf wundersame Weise, worauf der Feind die Waffen streckte und panisch das Weite suchte.
Die Aufgabe des Bannerherrn wird es sein – flankiert von einer kampfstarken Truppe – das Banner stets dorthin ins Feld zu führen, wo gerade die Stuerener Angriffe am stärksten auftreten, oder am meisten Nutzen versprechen.
Es handelt sich also um ein eher „agiles“ Amt, ähnlich das des Botschafters. Jedoch anders als das des Schwertführers, wird dies Amt auch in Friedenszeiten nicht ruhen, sondern allezeit bereitstehen müssen. Auf nachdrücklichen Wunsch des Fürsten, wurde Ritter Gerdling von Weibersbrunn, ehemals Burgvogt der Drachentrutz, mit diesem Amt bestallt und sogleich ins Feld beordert. Das hohe Amt, und insbesondere die wertvolle Insignie, werden somit dauerhaft an das Fürstentum Drachenhain gebunden. Bislang hatte Fürst Leomar das Feldzeichen lediglich als „kriegsrelevant“ requiriert.

Minhardt Balamus, Drachenhainer Hofberichterstatter

In aller Kürze – Der Stand im Stuerenkrieg

Seine Durchlaucht, wie auch sein Schwertführer Ritter Samuel von Turlach, stehen bis auf wenige Unterbrechungen fortwährend im Feld in Stueren. Längst sind die eigenen Truppenverbände der meisten Lehnsnehmer, die dem Heerbanne folgten und das Übersetzen des drachenhain-ostarischen Allianzheeres ermöglichten, in ihre jeweilige Heimat zurückgekehrt. Derzeit stagniert allerdings der Krieg, da sich das Heer der selbsternannten Gräfin Aurelia von Drachenhain nach wie vor zwischen das heligonische und das der Stuerener geschoben hat. Anstrengungen seitens der Unsrigen, weiter ins Landesinnere vorzurücken, forderte einen zu hohen Blutzoll und wurden rasch eingestellt. So sichert man weiterhin den Süden – insbesondere die gewonnen und verbündeten Städte – sowie den besetzten Norden, vor allem durch Rebenhainer Verbände, baut durch diverse Maßnahmen die Vormachtstellung aus und wartet ansonsten schlicht ab, wie sich die sogenannten Aurelier wider die Stuerener schlagen werden. Insgeheim „scharrt“ man aber ungeduldig mit den Füssen, allzu lange wird der oben genannte Status somit vermutlich nicht mehr anhalten…

Dem Leser ergebenster Diener,
Meister Schillwunk „die Feder“ Radeweyd,
Drachenhainer Hofchronist

Die zugespitzte Unterredung

Erster Wendetag im neuen, dem dritten Xurlmond im 40. Regierungsjahr des guten Königs Helos Aximistilius. Ein frostig unfreundlicher Markttag neigt sich auf der Feste Drachentrutz im Fürstentume Drachenhain dem Ende zu. Krämer, Standleute und all jenen, die etwas feil zu bieten hatten, beladen vor der Markthalle müde ihre Wagen und Handkarren mit übriger Ware oder werfen Unrat sowie alles, was nicht mehr zu verkaufen ist, ins dunkle, stinkende Hundsloch gleich hinter dem großen, saalartigen Gebäude. Alles nimmt seinen geregelten Ablauf, Hand in Hand ist die Arbeit schnell geschafft, Abschiede werden ausgetauscht – hehle wie herzliche – alles verläuft wie ehedem.
Unweit der drachentrutzer Markthalle sammeln sich zeitgleich ein letztes Mal für diesen Tag Alt und Jung vor dem Marktbrunnen, füllen ihre Gefäße mit dem wertvollen Nass, mehr als einer in Gedanken schon beim Abendmahl und der wohlverdienten Nachtruhe. Klatsch und Tratsch hält die Müden wach und die Saumseligen eine Weile von der Arbeit im Hause fern – eine gute Übereinkunft, denn trotz des heuer erfreulich wohlgefüllten Brunnens muss angestanden und gewartet werden.
FLAAAAATSSSSSCH! Eine baumhohe Wasserfontäne schießt pfeilschnell aus der Tiefe des Marktbrunnens. Bis auf fünf Schritte sind alle umstehenden mit einem Mal bis auf die Haut durchnässt, viele gar vom Druck der einströmenden Wassermassen von den Beinen und zu Boden gerissen. Jedoch, nicht das Wasser allein ist es, was die Menschen vor Entsetzen erstarren lässt: es ist die menschenhafte Gestalt, die – inmitten der Fontäne – wie der Korken aus der Flasche heraus aus dem Brunnen geschossen kam und nun, gleich ein Marktschreier, auf dem schmalen Brunnenrand steht. „Ein Wassermann“ trauen sich die ersten Mutigen ungläubig zu flüstern. Rasch verstummen diese Stimmen jedoch, als man die großen und vor Zorn funkelnden Augen des Ankömmlings gewahrt. Mit rollender und donnernder Stimme, gleich einem bahnbrechenden Gebirgsbach, sagt er: „WER HAT HIER ETWAS ZU SAGEN?“

Giselher von Mühlenheim ist sichtlich schlechter Laune, die Hände hinter dem Rücken angespannt walkend, stiert er düster auf mehr rote denn schwarze Zahlen. Auch die etwa ein Dutzend Pergamente, die kreuz und quer den einzigen großen Tisch des Turmzimmers zur Gänze bedecken, scheinen dem scharfen Blick des drachenhainer Kanzlers nicht länger standhalten zu wollen und rollen sich – sehr zum zusätzlichen Verdruss desselben und trotz gut platzierter Bleiplättchen – von selbst immer wieder zusammen. Zornig knurrt er: „Verdammte Schafshaut, feine Bütte habe ich bei diesem Jungspund von einem Burgvogt bestellt. Doch was bekomme ich? Ziegenbalg! Danke, Herr von Tuachall, danke, verdammtes Luchnar, für nichts als bockige Stücke Fell!“ Giselher greift in seine Tasche und führt ein goldenes Gefäß zur Nase. „Sapperment, die Bisamkugel muss gefüllt werden“ denkt er sich und vertieft sich wieder in Pergamente. So vergehen die Momente, in denen der ärgerliche Kanzler in seiner betriebsamen Geschäftigkeit weder das Pochen an seiner Tür, noch die hastig heraneilenden Schritte gewahrt. Erst das unziemliche Rütteln an der gebeugten Schulter lässt den angestrengten Sinn des Mühlenheimers vom anvertrauten Fürstenschatz zum Hier und Jetzt wandeln. Zornig fährt er auf: „Was fällt Dir ein, Mann? Mich an der Schulter zu packen, eine Impertinenz sondergleichen!“ Der eifrige Rüttler, Leibdiener Meister Echaz Dattelboom, nun die Zerknirschtheit allselbst, hebt stotternd zur Verteidigung an, als schon von Richtung der Turmtreppen, die zu des Kanzlers Räumlichkeiten im Herzen der Feste führen, das Platschen schnell herannahender, nackter Füße zu vernehmen ist. „Ein Www…. Wasserweeee…sen wünschen seine Hochwohlgeboren zu sprechen, wenn es dem Kanzler belie…“ radebrecht der Diener noch in Giselhers Rücken, als ein recht absonderliches Wesen unter dem Türstock der Kammer steht. Einmal abgesehen vom schulterlangen Haupthaar – das nasssträhnig und voll Wassergras, verrottetem Laub, sowie allerlei Unrat wie Kohlblättern, Eierschalen und Hühnerbein behangen ist – imponiert den beiden Betrachtern vor allem die fahlgrüne und perlmuttglänzende Schuppenhaut, des vor Zorn bebenden Wassermannes, pardon Nöks. Auch die zitternden, rot angeschwollenen Kiemen ziehen im kommenden Moment mehr als nur einen Blick Mühlenheims und Dattelbooms auf sich. Sekunden verrinnen, keiner spricht, bis der fremdartige Eindringling mit ausgestrecktem, dürrem Finger in Richtung des Giselher sticht: „Bist Du der Kranzler, Gansler, Kansler, … oder wie das heißt? Bist Du es, der hier endlich etwas zu SAGEN hat?“
Der Angesprochene hatte sich indes gefangen, all seine gravitätische Contenance und, schlimmer noch, seinen heutigen glühenden Zorn auf die Welt wiedererlangt. Beide Fäuste in die Seite gestemmt donnert er: „Wer hat denn diesen laufenden Lurch raus aus seinem Käfig und hinein in meinen Turm gelassen?“

Später in Dattelbooms Kammer
Vor Meister Dattelbooms sonst so wachen Dienerblick konkurrierten in den nächsten Momenten, da der Kanzler dem Nök seine eigenwillige Begrüßung entgegenbrachte, eine Vielzahl denk- und unterbindungswürdiger Ereignisse um Beachtung, so dass der Diener nur stehen und schauen konnte und auch zur jetzigen späteren Stunde – da er in seiner Kammer haarklein berichtend bei seinem Weibe liegt – es nicht mehr zu rekonstruieren vermag, was sich eigentlich nacheinander zugetragen und an welcher Stelle er – um des Einen Willen – noch eine Wendung zum Guten hätte bewirken können. Erst das Schreien und Zetern der beiden Kombattanten, dann die Beschimpfungen und Drohungen, und letztlich die denkwürdige Kulmination des Ganzen in der schallenden Ohrfeige in des Kanzlers verdutztes Antlitz – Dattelboom kichert leise und verstohlen unter dickem Daunen in die vorgehaltene Hand. Auch wie hernach der junge Burgvogt von Tuachall in Mühlenheims Kammer gestürmt und die beiden Streithähne voneinander trennte, entzieht sich vollkommen seines sonst so versierten Erinnerungsvermögens. Erst als der rotwangige Kanzler die nachrückenden Wachen anwies, den tobenden Wassermann ins „tiefste Loch“ abzuführen, erinnert sich Dattelboom, wieder ganz Herr der Lage gewesen zu sein und emsig all das zerbrochene Geschirr zusammengefegt zu haben, so dass keiner der Anwesenden nachhaltigen Schaden durch Verletzungen nahm – wenigstens ein Erfolg an diesem Tag, denkt sich Meister Echaz, dreht sich zur Seite und sinkt sogleich in tiefen Schlaf. Das einsame Schimpfen und Wehklagen, zwei Etagen der Fürstenburg tiefer, hört er indes nicht.

Tatzelfelser Stammhalter geboren

Am 26. im 3. Saarkamond wurde unserem allseits geschätzten Baron Leonidas von seiner Gattin ein männlicher Stammhalter geboren. Das Kind ist gesund und hört fortan auf den Namen Agens.

Umbricht Bletzer
Tatzelfelser Hofberichterstatter

Gottfried von Norderstedt wird Mitglied der Tatzelfelser Ritterschaft

Nach nunmehr 15 Monaten in den Diensten des Ordens vom Weißen Wasser legte der ehemalige Vogt von Tatzelfels, Gottfried von Norderstedt, geläutert die Kutte des Ordensritters ab. Großzügig bot Baron Leonidas ihm das Amt des Vogtes erneut an, doch der Ritter lehnte demütig ab. Er habe sich in seiner Zeit beim Orden auf seine ritterlichen Tugenden besonnen und wolle nun seinem Schwur Baron und Baronie zu schützen sein weiteres Streben widmen. Der Baron nahm den Ritter beim Wort und nahm ihn in die Tatzelfelser Ritterschaft auf, jenen ehrwürdigen Ritterorden der noch auf Fürst Leomar zurückgeht, als dieser noch Baron von Tatzelfels war.

Umbricht Bletzer
Tatzelfelser Hofberichterstatter

Weitere Reformen im Tatzelfelser Heer

Viele Veränderungen haben die Kriegszeiten bereits mit sich gebracht für das Tatzelfelser Heer. Doch wie wir erfahren, sind die Ideen zur Modernisierung unseres Barons und seiner Berater noch nicht erschöpft: Unlängst kehrte Korporal Berthold von den berittenen Bogenschützen aus dem ostarischen Neuenstein zurück, Pläne für neuartige Waffen im Gepäck. Nachdem er Baron Leonidas über drei Jahre als persönlicher Waffenknecht gedient hat, soll er nun zum Waibel befördert werden und die Ausbildung und Führung eines kleinen Trupps Armbruster übernehmen. Der Vorteil der Armbrust gegenüber dem Tatzelfelser Reiterbogen, so sagte uns Berthold, läge vor allem in ihrer Durchschlagskraft und einfachen Handhabung. Wir sind gespannt ob diese Neuerung eine entscheidende Rolle im Kriegsgeschehen spielen wird.

Jakob „Tatzelfeder“ Berninger

Von wohlüberlegten Angeboten und überfälligen Erleuchtungen

Ein Erbe ist geboren! Preiset Poena, denn sie hat den Leib unserer Baronin gesegnet. Unser Baron Leonidas hat einen Erben, und einen männlichen dazu. Endlich sind die Sorgen um die Tatzelfelser Thronfolge zerschlagen und mit ihnen die Hoffnungen ausländischer Emporkömmlinge. Das erkannte auch der in Ungnade gefallene frühere Vogt von Tatzelfels, Gottfried von Norderstedt als unser weiser Baron so gnädig war ihm sein früheres Amt wieder anzubieten. Gottfried gab sich erleuchtet und tugendhaft und lehnte ab. Da zögerte der Baron nicht lange und nahm ihn als siebtes Mitglied in die Tatzelfelser Ritterschaft auf. Bedenkt man was dieser Orden schlagkräftiger Ritter aus ganz Heligonia und dem Ausland in der Vergangenheit hervorbrachte, läuft einem ein Schauer über den Rücken: Herrscher, früh Gefallene und Verräter, die ebenfalls nicht alt wurden. Nachdem er nun den politischen Ehren entsagt und seine Abneigung einem frühen Tod gegenüber bereits deutlich gemacht hat… Vielleicht sollte er auch aus diesem Ritterorden bald wieder austreten.

Die grüne Feder

Die Geburt eines neuen Krieges?

Die ganze Baronie frohlockt vor Freude über den neugeborenen Sohn des Barons Leonidas und seiner angetrauten Isabella. Doch bringt dieses Kind einen Krieg im Süden mit sich? Wohlinformierte Kreise sprechen von einem bevorstehenden Krieg zwischen Steinbeck, dem Heimatland Isabellas und dem sogenannten Reich der Mitte. Nun stellt sich für Kaufleute, wie für die treuen Streiter unserer wehrhaften Baronie natürlich die Frage: Wird Leonidas auf Bitten der Mutter seines Erben in diesen Krieg ziehen? Und wie viele Männer wird er mit sich nehmen um auf dem Südlandkontinent einen Krieg weitab der Heimat zu führen? Wie wird sich dies auf die politischen und Handelsbeziehungen Drachenhains auswirken? Auf diese und mehr Fragen hoffen wir baldigst eine Antwort von unserem geschätzten Herrscher zu erhalten.

Milan Rotbuchner
Gewürzhändler aus Beridheim

Bekanntmachung zum Krieg in den Südlanden

Im Namen von Leonidas von Rabenweil, Baron zu Tatzelfels ergeht folgende Verlautbarung: Solange sich das Fürstentum Drachenhain im Krieg mit dem Herzogtum Stueren befindet, stehen alle verfügbaren Kräfte jederzeit bereit Fürst Leomar in diesem zu unterstützen. Daher wird während der Dauer dieses Krieges kein tatzelfelser Soldat oder Milizionär in einen Krieg in den Südlanden ziehen, ungeachtet einer Involvierung des Heimatlandes der Baronsgattin.

Umbricht Bletzer
Tatzelfelser Hofberichterstatter

Neue Silberader im Erkenkarst entdeckt

Im Erkenkarst, am Rande der Vogtei Erkenay wurde am 26. im 3. Saarkamond eine neue Silberader entdeckt. So trägt die von Baron Leonidas initiierte Expedition zur Untersuchung der Erzvorkommen in Tatzelfelser Gebirgen erste Früchte. „Viele der Männer glauben an ein gutes Zeichen der Götter.“ sagte Vogtin Sysillia von Schwarzenbing auf die Frage, ob sie es für Zufall halte, dass das Silbervorkommen an der Rahalla-Quelle ausgerechnet am Geburtstag des jungen Argens entdeckt wurde. „Es hat sich sehr schnell herumgesprochen, was der Name in der Gelehrtensprache bedeutet. Und da war es uns klar: Dem Kind ist großes bestimmt.“ berichtete uns ein begeisterter Bewohner der weiter südwestlich gelegenen Mienensiedlung.
Weitere Grabungen sollen nun zeigen, ob dieses Vorkommen groß genug ist eine neue Siedlung zu bauen. In diesem Sinne: Xaroch schütz unsere Bergleute!

Jakob „Tatzelfeder“ Berninger

Vater Anselmo zum Verwalter St. Aluins ernannt

In einem durch und durch formellen und glanzlos gehaltenen Akt, bestallte Fürst Leomar im Jolbrucker Stadtschloss Vater Anselmo zum Verwalter im Range eines Barons über die Abtei St. Aluin.
Ein Formfehler und Widerspruch zum Waldemarschen Stiftungsedikt – der Helios-Bote 75 berichtete – nötige zu diesem Kompromiss. Bekanntlich war Vater Anselmo ordnungsgemäß und mit großer Mehrheit des Richilesuher-Konzils in das Amt des Bischofs von Drachenhain gewählt worden, doch versäumte es der de jure noch amtierende Bischof, Erlind Hilarian, mit seinem „nächtlichen Verschwinden“ eine gültige Ablösung – so gab er weder Heliosbrief, noch Amtsstab oder Bischofsring zurück. Nach Erlind Hilarian wird weiterhin erfolglos gesucht. Berichten zufolge soll er sich von Darbor aus ins ferne Corenia eingeschifft haben, um den dort vor Generationen gestrandeten Heligoniern, das Licht des Einen zu bringen. Der Magistrat des heligonischen Anlegehafens in Modestia kann dessen Ankunft dort aber mitnichten bestätigen. Somit bleibt dessen Aufenthaltsort unbekannt und der ordentliche Verzicht auf die Bischofswürde bis auf weiteres ungelöst. Als ein Ausweg aus diesem mehr als unwürdigen Dilemma, hat sich Fürst Leomar an König und Primus gewandt, um Details im Waldemarschen Stiftungsedikt ändern zu lassen. Desweiteren verfügt Vater Anselmo mit seiner Amtseinsetzung zum Verwalter im Baronsrang, über macht und Befugnis, die Abtei bis dahin ordentlich zu führen.
Minhardt Balamus, Drachenhainer Hofberichterstatter

Altes Blut und neue Herrschaft in Sengenberg?

Der Bote I.
Es geschah zur Kanzleraudienz, am 21. Tag im 2. Heliosmond, im Jahre 42 n.A.III, in der Drachentrutzer Fürstenburg, als ein sichtlich waffenfähiger Mann, mit festem Schritt aus der Menge an Kanzler Giselher von Mühlenheim herantrat, der hier und heut, in Vertretung des im Feld befindlichen Fürsten, Recht sprach und den Anliegen des Drachenhainer Volkes Gehör schenkte. Der Neuankömmling verbeugte sich flüchtig und brachte hernach ein gar erstaunliches Begehr vor:
„Mein Name lautet Laurenz Rudolf Doloros und ich bin ein Mann von Hans-Thiems-Haufen aus dem Lande, das Ihr Sengenberg zu nennen geruht. Mein Anliegen an Euch, Herr Kanzler, ist einfach und diffizil zugleich: Bestellt dem Fürsten von Drachenhain, dass in meiner Heimat endlich wieder Recht und Friede möglich ist. Denn unter dem Schutz unseres Haufen gedieh in den letzten Jahren diejenige heran, die von Legoddins und Frendals Blut ist. Alenka Sophie, so lautet ihr Name, ist die wahre Erbin von Drachenberg und sie will seiner Durchlaucht den Vasallenschwur leisten, um als legitime Nachfahrin Frendals über dessen Land und Volk zu herrschen.“
Da war mit einem Male Ruhe im Saal und auch der Kanzler benötigte einen kurzen Lidschlag, um das Vernommene zu verarbeiten:
„Für Sengenberg spricht er, soso! Nun sehe ich ihn aber in keinem Templerrock gekleidet und eine Legitimation, wie ein Heliosbrieflein, zeigt er auch nicht vor?“
Laurenz Rudolf Doloros, ob der Worte nur wenig eingeschüchtert, sprach:
„Herr Kanzler, meine Legitimation habe ich vom Volke meiner Heimat erhalten und die ist auf keinem Bogen Pergament verzeichnet. In der Tat bin ich kein Templer und auch nicht von Stand. Doch ist mein Anliegen wichtig und von größter Tragweite. Denn anders als Ihr und die Welt es vielleicht glauben mögt, ist in Sengenberg mitnichten alles still und friedlich, und alles fest im gutherzigen Beschlag des Templers! Im Süden, in den Städten und auf den Straßen, da mag dies stimmen, doch der Norden, das Hinterland und die Sümpfe? Alles in der Hand der drei Haufen, die schon seit den Zeiten Richildas Verschwinden – und im Grunde auch schon davor – gut für Ordnung und Ausgleich sorgen. Nun…“
Da unterbrach der Kanzler ruhig, aber mit kaltem Eisen in der Stimme:
„So, ist er also ein Verfemter und Rebell und gehört sofort in Ketten gelegt? Sehr wohl drangen und dringen noch immer die von ihm selbst genannten Schwierigkeiten der Templer an des Fürsten Ohr. Wir wissen wohl, dass die Brüder in diesem Lande keinen leichten Stand haben, da die Sengenberger verstockte Rückwärtsschauer sind. Von Glück kann er sprechen, dass derzeit Krieg herrscht und das Auge seiner Durchlaucht auf anderen Obliegenheiten ruhen muss.“
Da streckte der Besucher unschuldig die bloßen Hände vor:
„Keine Rebellen und keine Aufrührer vom Schlage eines Freiherrn Gellers von Mannseck sind wir, welcher stets nur an die eigene Börse dachte! Wir Männer der Haufen sind das, wozu die schlechte oder ausgerissene Herrschaft uns gemacht hat. Verfemte wurden wir genannt, nachdem wir das fortführten, worum sich über viele Jahre niemand ernstlich scherte: die Ordnung im Lande zu wahren und das Überleben der einfachen Menschen zu sichern. Nun aber, mit der Erbin, steht der einmalige Weg offen, Sengenberg ein für alle Mal zu befrieden und in die Gemeinschaft der Drachenhainer Baronien zurückzuführen. Das Volk und die Haufen wollen das Knie vor einer Baronin Alenka Sophie beugen, Haumesser und Pike wegwerfen und treulich ergeben sein“
Der Kanzler strich sich nachdenklich über das Kinn:
„Hmm, hmm, hmm…. Ich weiß, dass Euch Sengenberger das Blut und die Linie alles gilt, deshalb gab es damals ja diesen Zinnober im Schrifthaus und diese Frechheiten in Richilesruh, (der Helios-Bote 62 berichtete) was hatte es mit all dem auf sich, frage ich! Wie kam das Mädchen zu Euch und ist sie es überhaupt? Doch halt, bevor wir die Geschichte wiederbeleben, soll die Feder hinzukommen, um zu helfen, die losen Stücke geordnet zusammenzufügen. Das ist außerdem nichts für diesen Ort und auch ich bin nicht jene Person, die hierin zu entscheiden hat.“
Mit diesen Worten erhob sich der Kanzler Drachenhains und sprach zur gespannt lauschenden Menge:
„Die Audienz ist für heute beendet, soll aber ob der Kürze heute, am morgigen Tage weitergeführt werden. Ihn, Laurenz Rudolf Doloros, werden die Wachen bis zur Ankunft des Fürsten in unsere innersten Gemächer führen, damit diese interessante Unterhaltung dort ungestört fortgesetzt werden kann.“
Laurenz Rudolf Doloros nahm dies Urteil ergeben hin und rief lächelnd dem bereits gehenden Kanzler hinten nach:
„Nun, ich dachte mir schon, dass mir ob meines Ansinnens nicht gerade das Haar gestreichelt werden würde! Gerne wartet Sengenberg die Ankunft des Fürsten ab.“
Beigewohnt und aus der Erinnerung niedergeschrieben

von Ruland vom Kerbelgehr,
Drachenhainer Hofberichterstatter

Fürstlicher Thaler Hofchronist
Orangerie Wettbewerb

Die inzwischen jedem Kind in Heligonia bekannte Orangerie des Prinzen von Thal, feierte ihre diesjährige erste Ernte mit einem Fest und einem Wettbewerb. Hierzu waren alle Citrus- und Orangenfrucht Kundigen des Königreiches eingeladen. In den Kategorien Saftigkeit, Wohlgeschmack, Wohlgeformtheit und Farbe wurden die besten Citrus- und Orangenfrüchte ausgezeichnet. Die meisten Preise konnte die Delegation des Herzog Uriel II Atolls für sich gewinnen. Aufgrund des milden Klimas der Insel wachsen die Früchte sogar wild auf der Insel. Die Citrus- und Orangezucht hat sich auf dem Atoll zu einem beliebten Zeitvertreib entwickelt und in jeden Garten, dessen Besitzer etwas auf sich hält und den erfrischenden Geschmack der Früchte schätzt, sieht man die Bäume mit ihren auffällig gefärbten Früchten.

Bericht aus der Provinz Kalarun

Kalarun ist die südlichste der vier Güldentaler Provinzen. Ausgedehnte Waldgebiete und die ansteigenden Berge im Osten des Landes prägen das Landschaftsbild. Seit Wochen mehren sich die Berichte über das Verschwinden von Holzfällern und Bauern, die im Wald Feuerholz sammelten. Zwei der sieben fürstlichen Jägern, die in den Waldungen nach dem Rechten sehen, sind ebenfalls verschwunden. Man fand in den Schutzhütten, die sie bei ihren ausgedehnten Aufsichtswanderungen bewohnen, benutztes Geschirr und teilweise Essen in Töpfen auf dem Holzherd, welches im Zuge der Zubereitung unvollständig blieb. In einer Hütte war die Suppe völlig eingekocht, bis das Brennholz im Ofen aufgezehrt war. In der anderen Hütte lagen Essen, Geschirr und Besteck auf dem Tisch dergestalt, dass es den Anschein hatte, als habe der Jäger die Hütte nur kurz verlassen wollen um gleich wieder an seine Abendmahlzeit zurückzukehren.
Prinz Anselm, Baron von Güldental hat seinem obersten Förster mit der Suche nach den verschwundenen Personen beauftrag. Ihnen stehen dazu alle notwendigen Mittel zur Verfügung. Hierzu wurden hinzugezogen die Fürstlichen Thaler Späher und auch in der Bärenjagd Kundige. Mit dem Segen der Viere, gesprochen von der Geweihten Arnraufina ist die Suchgesandtschaft ihres Wegs in die Wälder von Kalarun gezogen.

Die Folgen der Creldinor-Nacht

Fast zweieinhalb Jahre sind seit dem 10. Heligonischen Adelstag auf Burg Sarniant in der Drachenhainer Baronie Wolfenfeld vergangen (der Helios-Bote berichtete). Fast zweieinhalb Jahre voller Gerüchte und stetig steigender Furcht vor einem bevorstehendem Krieg. Vor allem entlang des Jolborn, der Grenze zu Borngart, ist die Situation angespannt. Jeder Fremde, der Thaler Boden betritt, wird mit Argwohn beobachtet. Die sonst so geschätzte Gastfreundschaft leidet unter dem allgegenwärtigen Misstrauen.
Der gesamte Thaler Adel, vor allem aber Fürst Bartha, ist permanent bemüht, dem Volk Hoffnung zu geben. Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet. In einer seiner jüngsten Reden zerstreute der Fürst die Sorgen, es stünde ein Angriff Borngarter Truppen bevor. „Uns liegen Erkenntnisse vor, die ein Übersetzen über den Jolborn nach Thal unwahrscheinlich machen.“ Woher diese Erkenntnisse kommen ließ Fürst Bartha offen.
Mögen die Götter unsere Gebete erhören und weiterhin ihren Segen über unser Land ausbreiten.

für den Thaler Hofchronist Adebard Kornvogel

Was passiert jenseits des Jolborn?

Auszug aus dem Tagebuch von Hannes Stielklauber, Thaler Söldner
16. Tag im 3. Saarkamond im Jahre 39 n.A.III.
„Endlich geht es los! Nach Wochen der Vorbereitung brechen wir auf. Mit der Kriegsbarkasse ‚Roter Lynx‘ schiffen wir uns nach Süden ein. Ich bin schon gespannt, welche Abenteuer uns erwarten. Unser Anführer Kasimir Eckberger hat uns kurz vor dem Ablegen noch einmal eingeschworen. ‚Ich weiß nicht, wie lange wir von Zuhause weg sein werden,‘ hat er gesagt. ‚Aber seid versichert: Unser Erfolg sichert die Zukunft des Fürstentums. Und solange das Fürstentum besteht, solange besteht auch unsere Heimat!“
2. Tag im 1. Poënamond im Jahre 39 n.A.III.
„Den Schutz der Wälder haben wir hinter uns gelassen. Vorsichtig bewegen wir uns durch das Borngarter Hinterland auf Fliranstedt zu. Kontakt zur hiesigen Bevölkerung haben wir bislang vermieden. Wir ernähren uns von dem, was wir selbst erjagen oder sammeln.“
17. Tag im 3. Poënamond im Jahre 39 n.A.III
„Graufeld. Unser neues Zuhause. In einem verlassenen Gehöft haben wir uns einquartiert und die Identität von Bauersleuten angenommen. Kasimir hat uns in Gruppen eingeteilt, die zum Spähen ausgesandt werden. Der Rest verrichtet sein eintöniges Tageswerk. Was mit den ursprünglichen Bewohnern passiert ist habe ich nie gefragt.“
5. Tag im 2. Heliosmond im Jahre 40 n.A.III
„Die Menschen von Borngart bauen wirklich seltsame Gebäude wie ich sie in Thal noch nie gesehen habe. Nobart, der gerade vom Spähen zurückgekehrt ist, erzählte mir von Türmen, an deren Spitze metallisch glänzende Schalen platziert sind. Er selbst kann sich keinen Reim darauf machen und auch Kasimir scheint ratlos.“
8. Tag im 3. Heliosmond im Jahre 40 n.A.III
„Ich habe sie jetzt selbst gesehen, die Türme mit den seltsamen Schalen an der Spitze. Sie sind wohl wichtig, denn sie sind sehr gut bewacht. Kasimir ist vor allem darüber besorgt, dass die Schalen alle in Richtung Heligonia zeigen.“
11. Tag im 1. Xurlmond im Jahre 40 n.A.III
„Der Informationsfluss innerhalb Borngarts scheint recht gut zu sein. Wir erfahren Neuigkeiten aus dem Königreich schneller als über unsere eigenen Meldeläufer.“
19. Tag im 1. Xurlmond im Jahre 40 n.A.III
„Gerüchte über einen neuen Heligonischen Gott machen die Runde. Die bäuerlichen Bewohner haben großes Interesse an dem jungen Gott namens Arden, der sich den Heligoniern scheinbar sehr oft in menschlicher Gestalt zeigt. Das gab es hier in Borngart schon lange nicht mehr.“
23. Tag im 2. Saarkamond im Jahre 40 n.A.III
„Ich soll Leutnant Roger nach Fliranstedt begleiten. Kasimir hat ihm einen Beutel zugesteckt – wahrscheinlich Geld.“
4. Tag im 1. Poënamond im Jahre 40 n.A.III
„Zurück in Graufeld. Das Glücksgefühl über die gewonnenen Erkenntnisse überwiegt die unendliche Müdigkeit. Roger konnte herausfinden, dass … das habe ich nicht ganz verstanden. Irgendetwas mit passiv-schwingender Obserbtion oder so ähnlich.“
29. Tag im 2. Poënamond im Jahre 40 n.A.III
„Saarka hat sich zurückgezogen und Helios strahlt über uns. Kasimir hat erneut Spähtrupps ausgesandt.“
14. Tag im 3. Poënamond im Jahre 40 n.A.III
„Die ersten Spähtrupps sind zurück. Es werden immer mehr solcher Schalen-Türme gebaut. Leutnant Roger zeigt sich zunehmend besorgt. Er redet häufig von sfärischen – schreibt man das so? – Schwingungen, die aufgefangen werden. Für mich ist das alles zu kompliziert.“
7. Tag im 2. Heliosmond im Jahre 41 n.A.III
„Es ist uns gelungen, Kontakt zu einer hiesigen Schmuggler-Truppe aufzunehmen. Die transportieren nicht nur Ware über den Jolborn hinüber nach Heligonia sondern nehmen auch Passagiere mit. Kasimir vermutet, dass es sich um Mitglieder des EOM handelt.“
21. Tag im 3. Heliosmond im Jahre 41 n.A.III
„Es handelt sich in der Tat um Mitglieder des EOM. Gunther konnte sich an die Fersen eines der Passagiere heften und ihm unbemerkt bis nach Fliranstedt folgen.“
9. Tag im 2. Xurlmond im Jahre 41 n.A.III
„Kasimir hat den Rückmarsch befohlen. Er will noch vor Einbruch der Saarkamonde zurück in Wulfenstein sein.“
27. Tag im 3. Xurlmond im Jahre 41 n.A.III
„Zurück in der Heimat! Während meine Kameraden und ich ausschifften ging Kasimir umgehend zu einer Audienz in die Feste Wulfenstein um Bericht zu erstatten. Ich freue mich schon darauf, in Kürze wieder daheim zu sein.“

Bazaar Darians

Ein blutroter Streifen am Horizont über der Wüste im Westen war alles, was noch an den brütend heißen Tag erinnerte. Die Dämmerung war kurz in Darbor, der alten Hafenstadt Darians, und wie immer um diese Zeit kam vom Meer her eine frische Brise auf.
Nach der allmonatlichen (und wie gewohnt herausragend einzigartigen) Rede ihres geliebten Herrschers Graf Dedekien waren die Straßen noch immer gefüllt von glücklichen Menschenmassen, deren Euphorie sich langsam in wohlige Zufriedenheit wandelte, als man die kühlen Dachterrassen aufsuchte, um dort das müde Haupt zu betten. Leise Stimmen erfüllten die von Saarkas Sichelmond erhellte Nacht, sporadisch durchmischt von einem Lachen, einer zirpenden Grille, einer quietschenden Tür oder einem bellenden Hund.
Auch der uralte Onkel Faisal saß zurückgelehnt auf dem Dach seines Hauses auf einem riesigen Kissen, die Wasserpfeife in der einen Hand, einen Becher Wein in der anderen und zahlreiche Familienmitglieder um sich herum. Wieder einmal hatten sie darum gebeten, seine Geschichte vom Nech-Burai zu hören, dem sagenhaften, geflügelten weißen Burai, das er vor sehr langer Zeit einmal gesehen hatte. Wieder einmal erzählte er sie geduldig.
Als er geendet hatte, verabschiedeten sich seine Zuhörer nach und nach, um sich schlafen zu legen. Nur die kleine Nuha saß noch auf seinem Schoß.
Sie war den Sommer über bei Faisals Familie einquartiert. Wie viele Darianer waren auch Nuhas Eltern seit ein paar Jahren gezwungen, geschäftlich ins Ausland zu gehen. Während sie die Saison über in der Grenzgegend von Thal und Tlamana im Norden arbeiteten, erlebte Nuha eine großartige Zeit in Darbor.
„Onkel, diese Geschichte von dem geflügelten weißen Burai erzählst du so oft… ich weiß, alle mögen sie gerne, aber ich würde lieber etwas ganz neues hören… etwas, das du noch nie erzählt hast!“
„Etwas neues, ja?“ Nachdenklich strich sich Faisal durch den Bart. „Was möchtest du denn hören? Gibt es etwas, das dich besonders interessiert?“
Nuha überlegte nicht lange. „Ja, so etwas gibt es! Ich würde gerne wissen, warum deine Frau Salimah so jung ist, obwohl du doch schon so alt bist. So alt, dass die Leute sagen, niemand sei so alt wie du.“
Faisal schmunzelte. „Ja, so sagt man wohl… da ist dir eine gute Frage eingefallen und ich könnte dir erzählen, warum das so ist. Aber es ist ein Geheimnis, und wenn du es kennst, darfst du es nur weitererzählen, wenn Salimah oder ich es dir erlaubt haben.“
Nuha nickte eifrig. „Versprochen!“ flüsterte sie.
„Alles begann vor sehr langer Zeit. Damals waren Salimah und ich jung. Genau gleich jung! Und wir hatten uns sehr gern.“
„Wirklich? Gleich jung?“
Faisal nickte.
„Nein!“
„Doch.“
Faisal schloss für einen Moment andächtig oder vielleicht auch müde die Augen und fuhr fort. „Zu unserem Glück konnten sich unsere Eltern einigen und wir heirateten, sobald wir alt genug waren. Wir hatten ein großes Zelt, eine stattliche Buraiherde und im Handumdrehen viele Kinder, und wir alle lebten glücklich, bis eines Tages Salimah sehr schwer krank wurde. Du hast vielleicht gehört, dass sie lange fort war?“
„Oh ja! Sie war fort, das habe ich gehört.“
„So kann man es sagen, doch war sie wirklich unvorstellbar weit fort. Sie ist damals nämlich immer schlimmer krank geworden, und in einer dunklen Nacht hat sie die Welt der Lebenden verlassen.“
„Wirklich? Sie ist gestorben?“
Faisal nickte.
„Nein!“
„Doch.“
Faisal seufzte und blickte aufs Meer. „Wir alle waren sehr, sehr traurig. Und ich habe nicht glauben können, dass ich sie nie wiedersehen sollte. Ich hatte Angst, ohne sie alt werden zu müssen. Doch dann begegnete ich dem Nech-Burai… und ich hatte das Gefühl, dass ich warten musste. Bis sie wiederkommt.“
„Und vor ein paar Jahren ist sie tatsächlich wiedergekommen?“
„Ja. Und sie hat etwas ganz und gar Unglaubliches erlebt! Sie hat Gwon getroffen, den Götterfalken, der sie zu den Sternen ins Reich der Toten nehmen wollte. Er machte sich auf mit ihr, doch auf halbem Weg kamen sie an einen Ort, der Salimah an eine Karawanserei erinnerte. Dort wurde sie abgesetzt. Es gab dort auch andere Seelen, und es war für alle gesorgt. Manche waren schon länger dort, manche erst kurz. Hin und wieder, so schien es, bringt Gwon die Toten nur bis an jenen Ort und nicht bis zu den Sternen. Warum das so ist, hat Salimah nicht herausgefunden. Normalerweise, so sagte sie, werden die Seelen nach einem mehr oder weniger langen Aufenthalt abgeholt, um endgültig zu den Sternen zu reisen. Doch manche dürfen auch zurück.“
„Wirklich? Und sie durfte zurück?“
Faisal nickte.
„Nein!“
„Doch.“
Faisal schürzte die Lippen. „Es war aber nicht einfach. Von Zeit zu Zeit wird dort, in der Karawanserei zwischen den Welten, ein sehr kompliziertes Spiel gespielt. Wer es gewinnt, darf wieder zurück zu den Lebenden. Doch das gelingt nur selten.“
„Aber sag, Faisal, warum hat es denn so lange gedauert, bis sie wieder hier war?“
„Das weiß ich nicht. Für sie schien es aber nicht ganz so… lang wie für mich gewesen zu sein, wie man an unserem Altersunterschied sehen kann.“ Faisal seufzte schwer. „Jedenfalls weißt du jetzt, warum Salimah und ich gleich alt sind und ich trotzdem viel älter.“ Faisal lächelte. „Doch nun gehen wir schlafen.“
Die beiden gingen hinüber zum Nachtlager, wo die anderen Familienmitglieder schon schliefen. Eigentlich, dachte Faisal, hatte er großes Glück gehabt. Denn schöner hätte der Abend seines langen Lebens nicht kommen können.
„Gute Nacht, kleine Nuha.“
„Gute Nacht, Onkel Faisal!“

Betiser Tribüne
Der Handelsprophet

Tageskurse

 Aurazith 1 heligonische Unze
 1 Dukaten, 4 Groschen und 2 Kreuzer
Cidre
2 Kreuzer
 Seidenstoff 1 m2
 5 Dukaten und 9 Groschen
 Chison 1 m2
 ausgesetzt

 

Der Aurazithpreis legt leicht zu. Der Cidre-Preis steigt erheblich, was an der hohen Nachfrage aufgrund des sommerlichen Wetters und vielfältig stattfindender Feierlichkeiten festgemacht wird. Der Preis für Seidenstoff und andere hochwertige Tuche ist weiterhin im Steigen begriffen. Auch dies scheint der Nachfrage vor allem im Kontext von Festen und Feierlichkeiten geschuldet zu sein. Ganz besonders betrifft diese hohe Nachfrage den edelsten aller Stoffe: Chison. Da dieser Stoff allerdings extrem selten ist, musste der Handel zwischenzeitlich aufgrund mangelnden Angebots sogar vollständig ausgesetzt werden.

Die unverzichtbare Liste des guten Geschmacks

Was sich schickt:
Jubiläen
Amtsübergaben
Schiffsparaden
Und was nicht:
Saboteure
Chison-Knappheit

Gunst und Kunst

Was die Heligonier am liebsten hören
1 (-) W.A. Mordshart – „Angilbert! Angilbert!”
2 (3) Die Medici – „Viergespaltene Seele“
3 (2) Raimondo Altongo – „Oh! Ah! Bella!“
4 (-) Die letzten Fernwanderer – „500 Meilen“
5 (5) W.A. Mordshart und Pavo Rothner – „Der Buraitreiber“
6 (1) Brutus Springstein – „Tod meiner Heimatstadt”
7 (4) Die Wüstenlärchen – „Sedomeesische Tänze“
8 (7) Sie könnten Giganten sein – „Die Dame und der Tiger“
9 (10) Die Medici – „Bursche“
10 (-) Sie könnten Giganten sein – „Menschen gegen Affen!“

Bürger des Monats

Zum Bürger des Monats wurde in diesem Montag seine Erlaucht Herzog Angilbert I. Uriel von Ostarien ernannt. Der Herzog sei, so die Jury in ihrer Begründung, seit jeher ein großer Freund der freien Reichsstadt und führe so die Tradition der langjährigen Freundschaft zwischen Ostarien und Betis fort. Überdies solle mit dieser kleinen Geste seiner Erlaucht zu seiner Amtsübernahme gratuliert werden.

Stadtgeschehen

Herzogengroßmutter Walluma von Carajon wurde vom Großen und vom Hohen Rat der freien Reichsstadt Betis aufgrund besonderer Verdienste um die ostarisch-betiser Freundschaft zur Ehrenbürgerin der Stadt Betis ernannt.
Wolfgrimm Aramantus Mordshart hat im Auftrag des Dogen eine große Oper für und über seine Erlaucht Herzog Angilbert I. Uriel von Ostarien geschrieben. Die Oper mit dem Titel „Angilbert! Angilbert!“ wurde seiner Erlaucht zu seiner Amtsübernahme und als ein Zeichen der tiefen Verbundenheit zwischen Betis und Ostarien zum Geschenk gemacht.

Die Flottenparade

Einer der vielen Höhepunkte der Festtage zur Übernahme der Regierungsgeschäfte von Herzog Angilbert I. Uriel, sicher aber der für die Zuschauer spektakulärste, war die große Flottenparade auf dem Brazach am 13. Tag des 1. Poena 42 n.A.III. Die Gerüchte, wie viele Meilen der Konvoi wohl lang wäre und wie viele Schiffe dabei sein würden, wurden von Stunde zu Stunde ausufernder. Doch kaum einer wusste so recht, was die Zuschauer erwarten würde. Und viele, unüberschaubar viele Zuschauer waren an das Brazachufer gekommen. Selbstredend war die Ehrentribüne bis auf den letzten Platz gefüllt und neben dem jungen Herzog waren mehr Herrschaften von Stand vertreten, als auf so manchem Adelstag. Ebenso war das gesamte Admiralskorps der Marine in Galauniform zugegen. Inmitten dieser trauten Runde war auch die Seeherrin von Drachenhain zu finden, die sich offensichtlich sehr wohl fühlte. Insgesamt wäre es hier müßig, endlose Listen von Namen aufzuzählen. Ebenso wollen wir den geneigten Leser nicht mit Flottenlisten langweilen und werden Schiffsnamen deshalb nur im Ausnahmefall erwähnen.
Schon von weitem sah man die vollbesegelten Schiffe den Fluss herabkommen. Die Eröffnung machte die Abordnung des Marinekurierdienstes. Kurierschiffe mit bunt bemalten Segeln in sauberer Formation zogen am Stadthafen vorbei. Es waren – der Anzahl der ostarischen Baronien entsprechend – zwölf Schiffe und auf jedem Segel prangte übergroß und leuchtend ein Baroniewappen. Für den Kenner aber noch bemerkenswerter als dieser farbenfrohe Eröffnungsgruß waren die Soldaten an Bord. Auf jedem Kurierschiff stand in schneidigem Habacht eine Gruppe von Männern in schwarzen Uniformen: Marashnattern. Die Elitetruppe der ostarischen Marineinfanterie grüßte so den herrschenden Herzog und führte gemeinsam mit den Baronien den Zug an.
Gefolgt wurde diese Formation von den Schiffen der Gesandtschaften. Eine große, bunte Schar von Schiffen kam den Fluss herab, fast jeder der anwesenden Gäste war per Schiff angereist und eben jene waren nun Teil der Parade. Die weiteste Anreise hatte sicherlich die Karacke „Felsental“ aus dem gleichnamigen fernen Lande Felsental, im Norden der Mittellande, mit welchem Ostarien seit dem letzten Adelstag in Verbindung steht. Ein stolzes Schiff, mit dessen Größe nur Wenige konkurrieren konnten. Der Karacke folgte auch gleich die größte Schiffsabordnung, welche durch die freie Reichsstadt Betis gestellt wurde. Unter der Flagge der stolzen Handelsstadt fuhren nicht weniger als vier Schiffe, nämlich jene die vor 5 Jahren am großen ostarischen Flottenmanöver vor dem Herzog-Uriel-II-Atoll teilnahmen. Ebenfalls einen weiten Weg auf sich nahmen die zwei Koggen aus Seeburg am Bodenlosen See, von wo auch eine Abordnung zu den Feierlichkeiten angereist war. Eine Neuerung aus Drachenhain waren die beiden Handelsfahrer, die aus Lindfurt gesandt wurden. Die neuen Schiffe der Linnen-Klasse sollen den Flusshandel weiter beleben und werden sicher zukünftig noch öfter in Ankur zu sehen sein. Noch weiter aus dem Süden, nämlich aus Thal kam der neue Hochsee-Segler der Baronie Welzen, die „Sirkos“. So mancher Seebär mutmaßte hierauf, ob sich Welzen wohl zukünftig stärker in den Südlanden engagieren werde. Den meisten Platz in diesem Teil der Parade hatte aber das Kurierschiff „Nordschwalbe“ das für Arnach aus seinem Stationierungsort Härtwigs Hafen angereist war. Wirklich bedrohlich hierbei waren aber die Aufbauten auf dem Deck, die einige Ingenieure des Arnacher Arsenals anbrachten, um am Abend ein Feuerwerk abzubrennen (welches, wie sich später herausstellte großartig und weitgehend ungefährlich war). Trotz der sicheren Zusage, während der Parade kein offenes Feuer an Deck zu haben, bewahrte so mancher andere Schiffsführer angemessenen Abstand. Immer wieder durch kühne Wendemanöver und kräftige Ruderschläge ihre Position wechselnd sorgten zwei Angaheymer Drachen immer für Aufsehen. Ebenso trugen die stolzen Hochtalbewohner ihre Freude aber auch durch wilde Gesänge und Jubelrufe zur Schau.
Nun war es an der drachenhainisch-ostarischen Allianzflotte, dem Herzog zu huldigen. Auch wenn der Stueren-Konflikt im Moment nur leise schwelt, sorgen diese tapferen Seeleute für Sicherheit und Nachschub an der Nordwest-Grenze. Sechs Schiffe, jeweils eines aus Drachenhain und eines aus Ostarien fuhren Eines neben dem Anderen den Fluss herab und als Zeichen der Verbundenheit waren mit Wimpeln und Blumen verzierte Girlanden zwischen den Schiffen gespannt. Hier fuhren die ostarische „Jolseelilie“ und drachenhainische „Südwind“ Seit an Seit. Die beiden Flaggschiffe zeigten so jedem Zweifler offen, dass zwischen die beiden noblen Länder kein Keil zu treiben ist.
Der nächste Teil Parade war nun die Ehrenformation der Schiffstypen der Ostarischen Marine. Für die Ruderkampfschiffe fuhr die legendäre „Pfeilschnell“ unter ihrem nicht unbekannten Kommandanten Joost van Goov. Die Bewaffneten Fischereifahrzeuge wurden durch die „Baroness Sophia“ vertreten. Gerüchte sprechen dem kleinen Schiff sagenhafte Eigenschaften zu und nicht umsonst ist die „Baroness“ das einzige Schiff, das die Erlaubnis hat, die gefürchtete Yagibur-Route zu befahren. Die Frachtkoggen wurden durch die „Carolus Valentinus“ vertreten (deren hagerer Kapitän für seine grotesken Erzählungen bekannt ist). Die Kriegskoggen der Darbor-Klasse wurden von der in Ankur beheimateten „Lodenburg“ vertreten. Die modernen Schiffe der Herzog-Uriel-Klasse repräsentierte die „Prinzessin Richiles“, die bereits am 2. Ödlandkrieg teilgenommen hatte. Das letzte Schiff diese Gruppe war die „Utzgolf“ eines der neuen, großen Lazarettschiffe der Flotte.
Mit besonderem Jubel wurden nun die drei Schiffe der 1. Ostarischen Expeditionsflottille empfangen. Geführt wurde diese Gruppe wie immer durch das eherne Kommando von Ostariens wohl bekanntestem und verwegenstem Seehelden, Kommodore Xurlsen Kielholer, auf dessen Taten sich auch der Ruf der oben erwähnten „Pfeilschnell“ stützt. Für die Flottille aber war es auch eine Abschiedsfahrt denn zwei Tage nach den Feierlichkeiten brachen die Schiffe ein weiteres Mal über die Weltmeere auf um Länder zu sehen, die nie ein Ostarier zuvor betreten hat.
Zuletzt nahte eine Gruppe großer Segler verschiedener Bauart. Wie auch die erste Gruppe hatten sie prächtig bemalte Segel, aber diesmal prangte auf jedem strahlend weißen Leinen das Wappenschild mit der Marashnatter, das Wappen des Herzogtums. Es waren die „Erzmark“, Flaggschiff der Brazachflotte, die „Prinz Aftalun“ Flaggschiff der Jolbornflotte, die „Xurliana“, Flaggschiff der Kolonialflotte und die „Anselm von Thal“, Flaggschiff der Emaranseeflotte. Diese Formation war in der Tat eine Premiere, denn alle Flaggschiffe der vier ostarischen Flotten an einem Ort, das gab es vorher noch nie. Bisher war der Wasserweg zum Emaransee nicht schiffbar und die „Anselm von Thal“ war das erste große Schiffe, dass vom See herabgeschleust wurde (und das ganze drei Tage vor der Eröffnung des Herzog- Angilbert-Kanals, der bürokratische Aufwand muss gewaltig gewesen sein!).
Jubel allenthalben und so manchem wurde vom vielen Salutieren der Arm schwer. Die Stimmung auf der Ehrentribüne war fröhlich, ausgelassen aber auch würdevoll und in der Mitte sah man den jungen Herzog stolz und zugleich gerührt. Wer im Lande konnte schon von sich behaupten, mit solch einer Parade geehrt worden zu sein?

Verfasst am 13. Tag des 1. Poenamondes im Jahre 42 n.H.A.III zu Ankur
Leutnant Claas von Stockbach-Jungingen für die Schreibstube der Admiralität zu Ankur

Die Eröffnung des Herzog Angilbert Kanals

Verehrte Leser, höret also was sich zugetragen während der Amtseinführung seiner Erlaucht, Angilbert I., Herzog von Ostarien. An diesem denkwürdigen Tag trug es sich zu, dass sich die Tore des Herzog-Angilbert-Kanals zum ersten Male für die Öffentlichkeit öffneten, der von nun an den Emaransee mit Jolborn und Brazach verbindet. In Yllmar taten sich wenige Tage zuvor zum ersten Mal die Schleusentore auf, um das Flaggschiff der Emaranseeflotte in den schiffbaren Kendlon zu entlassen, damit dieses bei der Flottenparade zur Amtseinführung unseres geliebten Herzoges anwesend sein konnte.

Während die Kriegskogge „Ehlerwaldstolz“ unter dem Kommando von Peregrin von Nordemeran und das Flaggschiff „ Anselm von Thal“, ein Schiff der Herzog Uriel Klasse unter dem Kommando von Elian Sander unter tosendem Applaus und Jubelschreien der versammelten Bevölkerung von Yllmar den Kanal verließ, schlossen sich weitere Einheiten der Brazachflotte dem Festverband an, um nach Ankur zu segeln, darunter die in Neuenstein stationierten Ruderkampfschiffe und Segelfahrzeuge unter dem Kommando von Kapitän Harbert von Rotzingen-Kasau.

Zu gleicher Zeit versammelten sich um die Zollhäuser und Schleusen entlang des Herzog- Angilbert-Kanals die Menschenmassen um die Amtseinführung mit voller Beflaggung und einer Parade der dort stationierten Armeeeinheiten zu feiern, wie vom Generalquartiermeister Karolus von Neuenstein verfügt. Darüber hinaus wurde der komplette Herzog-Angilbert-Kanal am Abend des Festtages von unzähligen Laternen illuminiert.

Karolus von Neuenstein stiftete an jedem Zoll- bzw. Schleusenhalt des Herzog Angilbert Kanals einen Stützpunkt samt Schutztrupp-Besatzung mit angeschlossener Herberge, damit die Reisenden entlang des Kanals stets vor aller Unbill und Gefahr geschützt seien.

Die Verbände der Zollposten, die dem Kanalerbauer Karolus von Neuenstein unterstehenden Truppen, die Verbände der Sicherungstruppen des Kanals sowie die auf dem Truppenübungsplatzes Lordsburg stationierten Einheiten versammelten sich zu einem prachtvollen und farbenfrohen Parademarsch nach Ankur zu Ehren Seiner Erlaucht Angilbert I., Herzog von Ostarien, der jeden Uniformliebhaber in Entzücken versetzte. Bei der Ankunft der Marschkolonne wurde die Oberhoheit und die Verwaltung des Kanals von Karolus von Neuenstein voll Stolz und Demut an Seine Erlaucht übergeben. Seine feierliche Ansprache beendete der Generalquartiermeister mit dem schönen Satz: „Die Schutztruppe vereint alle Ostarier entlang des Kanals, Erzmarker, Oranecker, Tristenberger, Hohenforinger, Lodenburger, Emaranier und Soltraner unter einem Banner, dem des Friedens und des Zeichens unseres gütigen und guten Herzogs Angilbert, dem ein langes und gesundes Leben Beschieden sei.“

Lang Lebe Herzog Angilbert I.
Lang Lebe der König.

Der Ausklang der Feierlichkeiten

Im Anschluss an die Kanaleröffnung wurde durch Adalbert von Torpstein, Baron zu Hoheforingen eine militärische Spezialentwicklung vorgestellt: Es handelte sich um die sogenannten Wasserschlangen, leichte, zerleg- und tragbare Boote, die von zwei Abteilungen von Matrosen der Emaranseeflotte in einem Wettlauf vom Marktplatz in Ankur zum Ufer des Brazach getragen wurden. Die Boote wurden dort zusammengebaut, und zu Wasser gelassen. Schließlich wurde mit einem Bordgeschütz ein Seil auf die andere Uferseite geschossen, worauf sich die Bootsmannschaften mit der Hilfe des Seils ans Ufer zogen. Dort holten sie eine braune bzw. grüne Fahne mit der Marashnatter darauf ein, ruderten wieder zurück, zerlegten die Boote und übergaben die Fahnen an Herzog Angilbert I. Diese Vorlegung der Fahnen in den Farben Hohenforingens war gleichzeitig als Geste der Treue gegenüber dem Herzog gemeint. Die zuerst eingetroffene Mannschaft erhielt zur Belobigung einen Orden von Baron Adalbert.

Zum Abschluss der Ereignisse am Brazachufer, nachdem es nun schon etwas dämmerte, ließ Brenzo Reißwasser, Kapitän der Nordschwalbe aus Härtwigs Hafen durch eine Handvoll Ingenieure (man beachte die tlamanische Aussprache) der berüchtigten Arnacher Wehrtechnologiespezialisten, die zugleich unheilvoll und vielversprechend klingende Feuerwerksinstallation „Brazach in Flammen“ aktivieren. Obwohl die beeindruckende aber auch irgendwie gefährlich anmutende Feuerschau, dem einen oder anderen Zuschauer einen ordentlichen Schrecken einjagte, kam es zu keinem nennenswerten Zwischenfall.

Der Tag wurde mit einem Ball in der herzöglichen Residenz abgeschlossen. Es wurde ausgelassen bis in den Morgen hinein gefeiert. Erwähnenswert ist sicherlich der Prinz von Thal, der mit allen erlauchten Damen die ganze Nacht hindurch tanzte, bis auch die letzten Tänzer das Parkett räumten.

Ausgabe 76 des Helios-Boten im Juli 2014
© 2003-2014 Waldfaun-Verlag, Aalen-Waldhausen
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Berichte von Frank Prietz, Andreas Riedlinger, Daniel Knauer, Daniela Lochner, Bernhard Schäfer, Oliver Friese, Günther Merk, Henning Frank, Andreas Hils, Benjamin Rampp, Benjamin Dannenmann, Christian Sieger, Andreas Reicke